Review zu „Die Philosophie bei Batman: Eine Reise in die Seele des Dark Knight“ herausgegeben von Mark. D. White und Robert Alp (2012) //
Pünktlich zum Abschluss der Batman-Trilogie von Christopher Nolan im Kino widmen wir uns im Mewi-Blog der Philosophie des wohl vielschichtigsten und ambivalentesten Charakters des westlichen Comic-Universums. In Die Philosophie bei Batman: Eine Reise in die Seele des Dark Knight (herausgegeben von Mark. D. White und Robert Alp) wird in 17 kurzen Essays mithilfe grosser Denker wie Aristoteles, Kant, Nietzsche oder Heidegger der Frage nachgegangen, mit welchen philosophischen, moralischen und ethischen Fragen sich Batman nebst seinen Widersachern wie dem Joker oder Bane herumschlagen muss. Gemeinsames Ziel aller Beiträge ist, Batman besser zu verstehen und zu klären was, wir aus den zahlreichen Comic- und Filmgeschichten lernen können, über Freiheit, Identität oder Freundschaft. Denn die Fragen, die wir uns Laufe unseres Lebens stellen, sind, so die Prämisse der Beiträge, so philosophisch wie die des dunklen Ritters: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Zeitgenössischer und in Anlehnung an einen Bestseller von Richard David Precht: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?
Manuel Thomas, selbst bekennender Batman-Fan seit Kindheitstagen, ging mit der Fledermaus auf philosophische Spurensuche.
Wovon handelt das Buch? Authentisches Leben, Utilitarismus und Deontologie.
Das bedeutet? Bruce Wayne alias Batman ist der wohl ungewöhnlichste Superheld schlechthin: Nachdem er als Kind ansehen musste, wie seine Eltern ermordet wurden, sagte er dem Verbrechen den Kampf an. Dabei ist er ist ein gewöhnlicher Mensch und hat keinerlei Superkräfte, sondern besiegt seine Gegner mit Intelligenz und einer ungeheuren Physis, die er sich im Laufe jahrelangen Trainings angeeignet hat. Statt sich als reicher Playboy mit dem Vermögen seiner Eltern ein angenehmes Leben zu machen, entscheidet er sich für den schwierigen Weg eines authentischen Lebens, gönnt sich keinen Luxus und opfert sein privates Glück dem Kampf gegen das Verbrechen. Batman wird so nicht die Maske für Bruce Wayne, sondern umgekehrt – mit all den Konsequenzen, Ambivalenzen und Zweifeln.
Zum Beispiel? Batman würde nie einen Menschen töten, dies würde ihn nicht besser als die Verbrecher machen. Selbst einen Widersacher wie den Joker, der dutzende Menschen auf dem Gewissen hat, sperrt Batman in die städtische Irrenanstalt ein ¬– auch wenn dieser immer wieder ausbricht und weitermordet. Hier kommt die Philosophie ins Spiel: Würde Batman den Joker umbringen, würde er weitere Morde verhindern; so argumentiert jedenfalls der Utilitarist. Für die deontologische Ethik aber heiligt das Ziel nicht die Mittel; Töten ist in jedem Falle unmoralisch. Mit dieser Frage sieht sich der dunkle Ritter, und seine Fans, konfrontiert: Würden Sie einen Menschen opfern, um fünf zu retten?
Lieblingszitat? „In einer Welt voll geistlosem Konformismus, allgegenwärtiger Dummheit und der Angst als grösster Antriebskraft ist Batman ein Beispiel, wie die Bereitschaft, sich mit dem Sinn der eigenen Existenz auseinanderzusetzen, ein Weg zur persönlichen Befreiung sein kann.“
Was stört? Dass die Geschichten um Batman mit vielen unterschiedlichen philosophischen Ansätzen untersucht werden können, liegt nicht an deren semantischer Offenheit, sondern daran, dass sich die Figur in den letzten 70 Jahren weiterentwickelt hat. Je nach Zeichner oder Filmemacher eröffnete sich auch eine neue Zugangsweise. Man vergleiche nur den kitschig bunten, oberflächlichen Batman von Joel Schuhmacher und den düster tiefsinnigen Batman von Christopher Nolan. Dass dieser Prozess des Werdens selbst nicht zum Thema wird, sondern sich nur dem Batman-Kenner erschliesst, ist umso bedauerlicher, da es die Ambivalenz des Charakters – die im Buch ja untersucht werden soll –, stärker betonen würde.
Warum ich das Buch trotzdem empfehle? Durch Christopher Nolans Verfilmungen avancierte Batman zum Lieblingskind der Populärkultur. Egal ob Comic, Film oder Videospiel: Batman ist in allen medialen Artefakten omnipräsent. Statt den dunklen Ritter als Phänomen der Populärkultur abzutun, lohnt es ihn als intellektuelle Herausforderung ernst zu nehmen. Denn seine inneren Dämonen sind auch uns nicht fremd. Wir können ihn zwar nicht nachahmen und nicht dieselben Risiken auf uns nehmen – er ist schliesslich eine Comic-Figur –, aber wir könnten seine Tugenden übernehmen und uns in seine Lage zu versetzen um philosophische Gedankenspiele zu diskutieren. Dabei erfahren wir, was für eine Art Mensch wir selbst sind, zumal unsere Flucht in die Artefakte auch die Sehnsucht nach Mythen und Menschen widerspiegelt, die wir heutzutage brauchen, wie es am Ende von The Dark Knight formuliert wird.
Woran es mich erinnert? An das berührende Plädoyer von Henry Jenkins für Populärkultur in seinem Buch The WOW Climax, das ihm hilft, seine Kinder zu verstehen und seine Studierenden im Umgang mit Medien zu unterrichten.