Die Organisatoren der Tour de Suisse tragen dieses Jahr die sportliche Verantwortung für ein zweites Rennen der World Tour. Im Oktober leisten sie bei der Tour of Guangxi Entwicklungshilfe in China.
Auch in der Sportwelt versuchen die Chinesen seit einigen Jahren Fuss zu fassen. Eine der diesbezüglich aktivsten Konzerne aus der asiatischen Wirtschaftsmacht ist die Wanda Group. Das in vielen Bereichen tätige Unternehmen besitzt zum Beispiel 20 Prozent Anteile am spanischen Fussballklub Atletico Madrid.
Und es erwarb in den letzten Jahren die Rechte an den Ironman-Triathlons und kaufte das weltweit tätige Sportmarketing-Unternehmen Infront Sports mit Sitz in Zug. InfrontRingier, ein Tochterunternehmen von Infront, organisiert seit 2015 die Tour de Suisse.
Radsport und Tourismus
Mit der tatkräftigen Unterstützung des Schweizer Ablegers wollen die Chinesen nun auch den Radsport erobern und gleichzeitig die Region Guangxi im Südwesten des Landes als Tourismus-Region positionieren. Für fünf Jahre sicherte sich die Wanda Group die Rechte am neuen Radrennen in der Nähe von Hongkong.
InfrontRingier besitzt als einzige Unternehmenseinheit der Wanda Group Radsport-Knowhow. «Deshalb sind die Chinesen zu uns gekommen», erzählt Olivier Senn, der Direktor der Tour de Suisse. Für vorerst ein Jahr hat seine Firma das Mandat für die sportliche Leitung der sechstägigen Rundfahrt übernommen.
15 Schweizer in China
Und so reist Senn im Oktober zusammen mit David Loosli, dem Sportdirektor der Schweizer Rundfahrt, sowie weiteren 13 Verantwortungsträgern der Tour de Suisse nach China. «Wir nehmen unter anderen den Sicherheitschef der Tour de Suisse mit, den Verantwortlichen für das Rennbüro, den Chef der Renn-Kommunikation – alles Leute, die das Wissen für ein solches Rennen mitbringen.»
Das Ziel ist es, dass die Chinesen das Rennen in einigen Jahren selbst durchführen können. «Wir werden während des Rennens lokale Leute in den Autos haben, die lernen sollen», so Senn weiter. Wie lange das Mandat dauert, könne man noch nicht sagen. «Der Vertrag dauert zwar nur ein Jahr, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie im zweiten Jahr schon alles selbst machen können», sagte der ehemalige Radrennfahrer weiter.
Ein spezielles Abenteuer
Senn war bereits im März ein erstes Mal vor Ort, um sich die Strecken anzuschauen. «Die Chinesen machten uns einen Vorschlag für die Streckenführung. Einiges sind sie nun noch am Anpassen», so Senn. «Weil sie zum Beispiel unbedingt auf einen speziellen Berg wollen, bauen sie dort eine Strasse.» Im August geht es für Senn ein zweites Mal nach Asien. Zusammen mit Loosli wird er die endgültige Strecke abfahren und, «so hoffe ich zumindest» (Senn), abnehmen.
Die Zusammenarbeit mit dem lokalen OK ist für Senn und InfrontRingier ein spezielles Abenteuer. «Es ist nicht ganz einfach mit den Chinesen, aber sehr spannend. Man muss sich an ihre etwas andere Art gewöhnen», erzählt Senn von den ersten Erfahrungen. «Aber es ist brutal schön dort unten. Wir freuen uns ungemein, dieses Rennen durchzuführen.»
Keine Hammer Series
Ein anderes Projekt, in das InfrontRingier eingebunden war, erlitt dagegen einen Rückschlag. Senn wollte in der Schweiz ein Rennen der neu ins Leben gerufenen «Hammer Series» austragen. Diese jeweils dreitägigen Anlässe für UCI-Mannschaften bestehen aus einem Sprint-, einem Berg- und einem Verfolgungsrennen.
Aus dem Event in der Schweiz wird aber nichts, obwohl der Anlass für den August bereits im Kalender des Rad-Weltverbandes figuriert. «Die finanziellen Anforderungen für ein solches Rennen sind in der Schweiz derzeit zu hoch», so Senn. «Zumindest dieses Jahr wird es nicht stattfinden.» Gross ärgert sich Senn nicht darüber, im August weilt er ohnehin in China und leistet dort bereits Radsport-Entwicklungshilfe.