Wie Hans Stucki einen Koch aus mir machte

Unser Leser Michel Burdet erinnert sich an seine Lehre zum Koch beim früheren «Bruderholz»-Chef Hans Stucki. Unser Leser Michel Burdet erinnert sich an seine Lehre zum Koch beim früheren «Bruderholz»-Chef Hans Stucki:  Mit meiner Erinnerung an einen wunderbaren Lehrmeister und Menschen nutze ich viele Jahre nach meiner Lehre die Gelegenheit, mich bei Hans Stucki zu […]

Das Zeugnis, das Michel Burdet nach Abschluss seiner Ausbildung im «Bruderholz» erhielt.

Unser Leser Michel Burdet erinnert sich an seine Lehre zum Koch beim früheren «Bruderholz»-Chef Hans Stucki.

Unser Leser Michel Burdet erinnert sich an seine Lehre zum Koch beim früheren «Bruderholz»-Chef Hans Stucki: 

Mit meiner Erinnerung an einen wunderbaren Lehrmeister und Menschen nutze ich viele Jahre nach meiner Lehre die Gelegenheit, mich bei Hans Stucki zu bedanken.

Mein Name ist Michel Burdet. 

Nie hätte ich gedacht, dass Hans Stucki mein Leben so begleiten würde, mit seiner Art und seinem Denken von damals. Ihm widme ich diesen Brief. Heute hängt in meiner Privatküche ein kleines Bild von ihm.

Von 1968 bis 1970 war ich in der Neubad Apotheke als Ausläufer beschäftigt: Dreimal die Woche nach der Schule.

Dabei lieferte ich auch einer älteren blinden Frau die Medikamente. Eines Tages fragte sie mich was ich werden wollte. Koch wollte ich werden, ich hatte es im Blut als fast Einziger in der Familie. Viele Jahre später sollte ich erfahren, dass auch meine richtige Mutter Köchin war, im Maxim Paris.

Auf die Frage der blinden Dame wo ich in der Schule sei und wie es dort aussieht bei mir, musste ich kläglich antworten: «Sekundarschule, Leistung nicht gut.» Die Dame musterte mich trotz Blindheit und sagte dass ich ein guter, fleissiger und freundlicher Junge sei und es ihr leid tue was sie von mir über mein Elternhaus und die Schule erfahren musste.

Sie sagte, dass ihr Cousin täglich mit seiner Mutti im Bruderholz essen gehe, er ist Professor und er kennt die Stuckis seit vielen Jahren und der solle bei denen für mich ein gutes Wort einlegen. Gesagt getan, wenige Tage später erhielt ich von Frau Stucki Bescheid, dass ich eine 14-tägige Schnupperlehre machen könne.

Meine erste Arbeit in der Bruderholzküche war Paprika in Streifen schneiden, Kalbsschnitzel panieren, Gemüse rüsten und putzen. Stets unter dem wachsamen Auge vom Chef. Nach wenigen Tagen konnte ich schon Spätzlis machen und Gemüse dünsten, Eisbecher machen usw. Nach den 14 Tagen ging ich wochenlang am Wochenende in mein Restaurant «Bruderholz», um zu helfen.

Plötzlich durfte ich Sonntagabends die Beilagenküche schmeissen, neben mir der Chef, der mir jedoch nicht mehr als wirklich nötig die Kelle aus der Hand nahm. ich durfte für das Personal kochen, zum Beispiel Zürcher Geschnetzeltes, was sogar der Chef und seine Frau Susi sehr mochten.

Eines Tages fragte ich die Stuckis ob ich bei ihnen die Kochlehre machen könnte.

Die Antwort lautete spontan «Ja», obwohl bereits damals eine Warteliste vorhanden war. Ich freute mich sehr.

Von März bis August ’71 hatte ich eine Wartezeit bis ich in der Berufsschule anfangen konnte. Das hiess, ich konnte erst am 1.10.71 meine Kochlehre beginnen. Diese Zeit nutzte ich um ins Waadtland nach Les Moulins/Château-d’Œx zu gehen und in der Boulangerie Chapallay zu arbeiten. Ich konnte dort eine sehr spannende, schöne Zeit verbringen und natürlich meine Französischkenntnisse verbessern.

Dann ging es los im «Bruderholz», ich war nur kurze Zeit auf dem Entremetier-Posten (Beilagenkoch), denn sehr schnell wechselte ich auf den Saucier-Posten (Fleisch- und Saucenkoch). Stucki verstand es auch, einem das Gefühl und Gespür für Lebensmittel und deren Zubereitung zu vermitteln. Unsere Speisekarte von damals war für die damaligen Verhältnisse schon sehr exzellent.

Ich erinnere mich noch an unsere Poussins, frisch aus dem Ofen, oder Samstag war Pot-au-feu-Tag. Dienstags – oder war es Donnerstag? – gab es einen Raclette-Abend, den ich von A-Z alleine machte. Und natürlich erinnere ich mich auch noch an den Professor und seine Mutti. Manchmal wollte er mich am Tisch sehen und fragte mich nach meinem Wohlbefinden.

Der eigentliche Küchenglanz fing an mit Gerichten wie die «Sole bois de frère», gedünstete Seezunge gefüllt mit Lachsmousse und Crevetten an Hummerrahmsauce und mit Hollandaise überbacken, dazu Trockenreis. Das waren Speisen, die ein bisschen exklusiver waren als nur «Filet de perches meunière».

Das machten wir auch, aber das konnte ich auch schon im ersten Lehrjahr alles alleine machen. Unsere gelernten Köche, vor allem die «us em Schwobeland» standen neidisch auf der anderen Herdseite und mussten glacierte Möhrchen schwenken.

Einmal wurde ich von so einem Koch angemacht und Stucki ermahnte ihn, wenn er mal so gut koche wie ich könne er den Mund wieder aufmachen. Nachmittags ging ich auch gerne mit Stuckis zwei Dackeln spazieren, was ich auch schon in der Schnupperlehre gerne machte.

Der Rauhaardackel hiess Zwicki und der Langhaardackel hiess, glaube ich, wie das Frauchen – Susi. Morgens hörte man am Klappern der Hundehalsbänder wenn der Patron herunter kam.

Es kam auch täglich um 17.45 Uhr ein älterer Herr  und bestellte ein Salamibrot und eine Stange Bier. Der Chef legte sehr viel Wert darauf, dass dieser Herr so gut bedient werde wie zum Beispiel der Professor. Er erklärte uns, dass dieser Herr vielleicht auch mal eine Feierlichkeit im «Bruderholz» machen könnte, und dass man generell jeden Gast freundlich und gut zu bedienen hat, egal was er bestellt.

Es war übrigens so , dass viele Monate später dieser Gast eine grosse Feier im Saal im ersten Stock bestellt hat, alles vom Feinsten für viele Gäste. Auch wurde das Personal von den Stuckis gut und grosszügig behandelt. Jeder bekam sein Bierchen am Feierabend oder er durfte sich ein Eis machen oder sein Schinkenbrot essen, stets unter dem Auge der Patrons.

Und am Erstaunlichsten fand ich immer, das diese Rituale genau so nicht mit mehr oder weniger stattfanden, wenn die Stuckis im Urlaub waren. Jeder hat Sorge zum «Geld» der Stuckis beigetragen. Mein Lehrabschlussprüfung habe ich mit Bravour bestanden.

Bei der praktischen Prüfung jedoch, und das war nie meine Stärke, hat der Schlachter Jose Rama aus Coruña in Spanien meinen Kalbsstotzen ausgebeinelt, währenddessen die Prüfer mit dem Lehrmeister die neuste Technik im Kühlhaus begutachteten.

Puh, habe ich Blut geschwitzt.

Von Herrn Stucki habe ich zum Abschluss ein Larousse-Kochbuch erhalten mit der Widmung «zum Andenken an Deine Kochlehre». Danach durfte ich noch ein paar Monate im «Bruderholz» als Koch arbeiten, wo ich auch ein sehr schönes Gehalt bekommen habe, bis ich in die Rekrutenschule musste. Meine Karriere hat mich von Basel weg verschlagen.

Ich habe eine sehr interessante Zeit als Koch und später Küchenchef erleben dürfen, wurde von Tiefschlägen sowie auch von Höhenflügen belohnt und habe immer und stetig meinen späteren Lehrlingen und Köchen versucht den «Geist vom Stucki» nahe zu bringen.

Deutschland, im Januar 2014. 

Nächster Artikel