Viele Gründe wurden schon genannt, warum der FC Basel an jenem verdammten Tag im April 2006 in Middlesbrough 1:4 untergegangen ist. Ungern enthülle ich jetzt: Ich war nicht frei von Schuld.
Es gibt Menschen, die wollen das «M-Wort», wie sie es nennen, weder lesen noch hören. Ich wage dennoch den Tabubruch und schreibe ausgerechnet, ja ausgerechnet vor dem Rückspiel des Viertelfinals der Europa League des FCB gegen Tottenham: Middlesbrough, 6. April 2006. Zack.
Es war den Rotblauen Waterloo und Teutoburger Wald zugleich. Eine 1:4-Niederlage, die nicht nur die Halbfinal-Teilnahme im Uefa-Cup kostete, sondern mit den folgenden psychologischen Lähmungserscheinungen auch den Meistertitel 2006. Und mit ihm jenen von 2007 gleich dazu.
Ich war nicht frei von Schuld.
Viele Gründe sind schon aufgezählt worden, warum die Basler jenes Spiel so grausam aus der Hand gegeben haben. Die suboptimale Fangquote von Goalie Pascal Zuberbühler wurde oft angeführt. Wenn ich mich recht entsinne, verschickte Zuberbühlers Gattin bereits während des Spiels aus der Heimat angriffige SMS an den Schweizer TV-Kommentatoren (Ruefer, Salzgeber?), weil der dem Basler Keeper das 1:1 anlastete.
Einige Experten empfanden auch die Aktion des Basler Innenverteidigers Daniel Majstorovic als irgendwie unnötig, der mit Gelb-Rot vom Platz ging, weil er sich am britischen Strafraum bemüssigt sah, Gegenspieler Boateng ins Gesicht zu greifen.
Ja, sogar das Coaching des damals eigentlich unantastbaren Trainers Christian Gross wurde von besonders kritischen Geistern argwöhnisch beäugt. War es wirklich der Weisheit letzter Schluss gewesen, den defensiven Mittelfeldspieler Papa Malick Ba nach Majstorovics Platzverweis in die Innenverteidigung zurückzubeordern und den Platz des Sechsers unbesetzt zu lassen? Immerhin entstanden die Gegentore Nummer 3 und 4 durch Weitschüsse aus jener Zone. Und war es tatsächlich zwingend, den gelernten Innenverteidiger Alexandre Quennoz ins rechte Mittelfeld einzuwechseln?
Alles bloss Symptome
Möglich, dass all diese feinen Details mithalfen, jenen Nachtmahr in Englands Norden zu gebären.
Wie mir im Anschluss an das Debakel aber im vertraulichen Gespräch mitgeteilt wurde, handelte es sich dabei bloss um die Symptome, nicht die Krankheit. Schwere Schuld hatte vor allem ich auf mich geladen, erläuterte mir Christian Gross in einem der Sache angemessenen Ton. Zwei Tage vor dem Spiel hatte ich in der Basler Zeitung einen Artikel publiziert, der davon handelte, dass David Degen als damals aufstrebendes Talent das Interesse mehrerer ausländischer Clubs erregt hatte.
Ein Unding! Denn David Degen spielte in Middlesbrough nicht gut. Warum? Keine Frage, er hatte durch meinen Artikel erfahren, dass er im Sommer ins Ausland wechseln könnte. Woher hätte er sonst wissen sollen, dass andere Clubs um ihn buhlten? Von seinem Agenten ja wohl kaum.
Lange wollte ich vor mir selbst die Schuld nicht eingestehen. Heute möchte ich mein Gewissen erleichtern. Und mich bei David Degen entschuldigen.
Und bei Ihnen natürlich auch, so Sie das «M-Wort» nicht mehr hören können (’tschuldigung, Kollege Loser). Asche auf mein Haupt.
P.S. Ein Sorry auch meinem werten Mitstreiter Christoph Kieslich. Die gotteslästerlichen Flüche, die er im Moment des 1:4 ausstiess, als er seinen gesamten Text in die Tonne treten und innerhalb weniger Minuten einen Basler Abgesang dichten musste, hallen mir noch heute im Ohr nach.
Und das hier unten wollen Sie gar nicht sehen:
Ich habe Sie gewarnt.