Es gibt sie schon, die Games, die ihre Spiele mit gesellschaftspolitischen Anspielungen anreichern. In «Deus Ex» etwa werden Themen wie Apartheid und Rassismus gestreift. Aber echte Position zu beziehen, traut sich kaum ein Gamehersteller. Ein Streifzug vom «Battlefield» über «Sim City» bis zum eindrücklichen Indie-Game «This War of mine».
In nicht allzu ferner Zukunft tobt der Krieg um biotechnisch modifizierte Menschen, sogenannte «Augs» (augmented humans). Adam Jensen ist ein solcher «Aug» und jagt nicht nur modifizierte Söldner, sondern auch die Illuminati, welche dank dem ganzen Chaos die Weltherrschaft an sich reissen wollen. Die UNO ist einigermassen hilflos und Verräter lauern an jeder Ecke. Das Szenario gehört zu «Deus Ex: Mankind Divided», dem neusten Cyberpunk-Abenteuer aus dem Hause Eidos.
Das Spielgeschehen ist ein unterhaltsamer Mix aus Schleich- und Actionspiel, sehr hübsch präsentiert, technisch und spielerisch zeitgemäss. Was das Spiel aber von der Masse abhebt, ist sein politisch brisanter Hintergrund, sind darin doch Themen wie Apartheid und Rassismus eingewoben sowie die unterschwellige Angst der Menschen vor dem technischen Fortschritt. Dass auch noch die Illuminati mitmischen, ist etwas übers Ziel hinaus geschossen, aber verzeihbar.
Geschmacklose Werbeaktion?
In den Medien sorgte vor allem die Marketing-Kampagne mit dem Slogan «AugLives Matter» für hitzige Diskussionen. Das Thema: Darf ein Videospiel einen echten Slogan, in diesem Fall «Black Lives Matter» der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung, für mutmasslich kommerzielle Zwecke nutzen? Selbst Plattformen wie «Forbes» nahmen sich der Debatte an.
Das Spannende an dieser Frage war jedoch vor allem der Umgang der Macher mit der Problematik, versuchten sich die Marketingleute des Studios doch mit unglaubwürdigen Begründungen aus der Affäre zu ziehen.
Eine klare Position bezieht das Spiel nie, dafür ist auch die Hauptfigur viel zu distanziert angelegt. Überhaupt scheint der Publisher Ubisoft ziemlich zögerlich, wenn es darum geht, brisante Themen ernsthaft zu diskutieren. Ein Beispiel dafür ist das Spiel «Watch Dogs» aus dem Jahr 2014. Die ganze Marketing-Kampagne griff das brandaktuelle Thema Überwachung auf.
Die Resultate sind meist weichgespült und auf politische Korrektheit getrimmt.
Wie geht eine Gesellschaft mit totaler Überwachung um? Welchen Risiken setzt sie sich aus? Fragen, die unbedingt gestellt werden müssen (man denke nur an die aktuelle Nachrichtendienst-Gesetz-Debatte). Im eigentlichen Spiel aber ging dann die Thematik in spektakulären Actionsequenzen und einer überpathetischen Selbstjustiz-Hintergrundstory komplett unter.
Und so zeigt sich die grösste Problematik politischer Themen in Spielen mit grossen Budgets: Wo viel Geld im Spiel ist, werden Ecken und Kanten entfernt. Ubisoft ist nicht allein: Kein Studio mag sich mit möglichen Diskussionen die Finger verbrennen.
Die Resultate sind meist derart weichgespült und auf politische Korrektheit getrimmt, dass sämtliche von den Machern vermutlich gewollten politischen Statements bis zur Unkenntlichkeit verwässert wurden.
Werte, die an Donald Trump erinnern
Paradoxerweise propagieren andere Spielserien mehr oder weniger versteckt politische Werte, die direkt aus dem Munde Donald Trumps stammen könnten. In «Call of Duty» oder «Battlefield» hat stets die Diplomatie versagt. Es müssen die Waffen sprechen – nur tonnenweise Munition löst die jeweiligen Konflikte. Hinterfragt wird kaum etwas, Alternativen zur Waffengewalt gibt es keine.
Die Spielemacher geben sich oft nicht einmal die Mühe, auch nur ansatzweise die Entstehungsgeschichte der zugrunde liegenden Konflikte aufzuzeigen. Und wenn sich der Protagonist doch einmal hintersinnt (wie z.B. in «Spec Ops: The Line»), ändert das kaum etwas an seinen Handlungen und Aufgaben und dem weiteren Spielverlauf. Der Weg zur Konfliktlösung ist klar vorgegeben – und nie friedfertig.
Wenn gute Gefühle nicht Lohn genug sind, handelt es sich meist um Spiele.
Auf einer ganz anderen Ebene scheint sich der Kapitalismus klammheimlich als alleiniges Wirtschaftsmodell der Videospielwelt durchgesetzt zu haben. In den meisten Rollen- oder Strategiespielen wird der Spielerfolg grösstenteils am Besitz gemessen. Wer Milliarden einer fiktiven Spielwährung besitzt, gewinnt. Hinterfragt werden diese Botschaften selten.
Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, doch selbst moralgesteuerte Spiele wie der Vorgänger «Deus Ex: Human Revolution» arbeiten mit einer Art monetären Entschädigung: Rettet man am Ende des ersten Levels eine Person, verrät einem der Ehemann, wie man günstig Waffen kaufen kann. Eine höchst zynische Art, moralisch gute Taten zu belohnen. Wäre das gute Gefühl des Spielenden, etwas Gutes getan zu haben und Dankbarkeit dafür zu ernten, nicht Lohn genug?
Differenzierter: Simulationsspiele wie «Sim City» und Indie-Games
Über immerhin etwas differenziertere Wirtschaftsmechanismen verfügen naturgemäss Simulationsspiele. Die Städtesimulation «Sim City» bestraft besonders raffgierige Spielerinnen und Spieler, die einfach nur die Steuern erhöhen sehr schnell. Die Einwohnerinnen und Einwohner ziehen weg aus der Stadt, das System kollabiert.
In der ironischen Diktaturen-Simulationsreihe «Tropico» stürzt das übermässig schlecht behandelte Volk einen Diktator und eine der Supermächte USA oder Sowietunion führt kurzerhand eine Invasion durch. Hier muss man geschickt taktieren, wenn man an der Macht bleiben will.
Indie-Games locken mit ehrlicher Auseinandersetzung mit politischen Themen.
Wirklich spannende und ehrliche Auseinandersetzungen mit politischen Themen finden sich meist dort, wo der künstlerische Aspekt freier ausgelebt werden kann: bei Indie-Games. Zwei hervorragende Beispiele sind das Grenzkontrolle-Spiel «Papers, Please» und «This War of mine».
Beim Ersteren wird man in die Rolle eines Grenzbeamten versetzt, der entscheidet, ob Einreisewillige passieren dürfen oder verhaftet werden, Bestechungsversuche und menschlichen Dramen inklusive.
«This War of mine» hingegen versetzt einen in die Rolle von Zivilisten während eines Bürgerkriegs. Beide Spiele zeigen eindrücklich, wie komplexe Themen simplifiziert und zu spannenden Spielmechaniken umgewandelt werden können, ohne wichtige Fragestellungen zu negieren.
Davon sind bedauerlicherweise die meisten «Big Budget»-Spiele wie eben «Deus Ex: Mankind Divided» weit entfernt. Die Technik und Spielmechanik ist vielen Indie-Spielen Lichtjahre voraus, das steht ausser Frage, und es ist den Machern durchaus anzurechnen, dass sie diskussionswürdige Themen zumindest anstossen.
Wünschenswert wäre es jedoch, dass sich die Macher ihren eigenen Fragen auch stellen würden.