Selten stand die Challenge League in einer Sommerpause derart in den Schlagzeilen wie heuer. Zu «verdanken» hat sie das vor allem den forschen Plänen eines türkischen Investors mit dem FC Wil.
In Wil herrscht dieser Tage eine gehörige Portion Skepsis. Wie ist es zu erklären, dass der milliardenschwere Unternehmer Mehmet Nazif Günal ausgerechnet den örtlichen Challenge-League-Verein ausgesucht hat, um sich den Traum vom eigenen Fussballklub zu verwirklichen? Wieso wird aus einem Klub, der bislang als bester Ausbilder der Liga galt, nun einer, der fremdfinanziert ist und gemäss Medienberichten doppelt oder dreifach so hohe Löhne zahlen kann wie andere Teams auf gleicher Stufe? Was wollen ehemals in Nationalteams und in der Champions League engagierte Spieler wie die Brasilianer André Santos und Mert Nobre oder der Türke Egemen Korkmaz in einer Stadt, wo Partien der ersten Mannschaft in der letzten Saison von durchschnittlich etwas mehr als 1300 Zuschauern besucht worden sind? Manche Beobachter bezeichnen die aktuelle Lage deshalb als «geradezu surreal».
Auch wenn Wils Präsident Roger Bigger beteuert, die Situation und das Standing der neuen Partner seit der ersten Kontaktaufnahme im November 2014 mit Topanwälten durchleuchtet zu haben, bleibt nach den bisherigen Engagements ausländischer Investoren im Schweizer Fussball ein mulmiges Gefühl. Die Erinnerungen an finanziell (angeblich) potente Geschäftsmänner wie Gilbert Kadji (in Sitten), Waldemar Kita (Lausanne), Marc Roger und Majid Pishyar (Servette) oder Bulat Tschagajew (Xamax) sind noch präsent. In Wil ist in diesen Tagen das Sprichwort zu hören, wonach gebrannte Kinder das Feuer meiden.
Nachdem Ende 2002 ausgekommen war, dass der damalige Präsident Andreas Hafen über 50 Millionen Franken bei seinem Arbeitgeber (UBS) veruntreut und einen Teil davon in den FC Wil eingeschossen hatte, übernahmen Investoren um Igor Belanow aus der Ukraine den Verein. Es gelangen zwar die Rettung vor dem Konkurs und 2004 der überraschende Cupsieg gegen die Grasshoppers. Aber die Ostschweizer verschwanden nach dem Abgang des einstigen Stars und der Nachlassstundung in der Challenge League, in der sie in der letzten Saison nur den 9. Rang erreichten.
Die beiden Ausgangslagen will Bigger nicht vergleichen. «Hätte man damals diese Gruppe nicht gehabt, wäre der Klub in die 5. Liga abgestiegen», betonte der Präsident. Nun hätte der Verein aus einer Position der Stärke gehandelt. Der türkische Besitzer, der den einstigen Bundesliga-Profi Erdal Keser als Statthalter installiert hat, will mit Wil und einem Budget auf Super-League-Niveau (kolportierte 10 Mio. Franken) auf schnellstmöglichem Weg in die höchste Liga; es war gar schon von der Europacup-Teilnahme die Rede.
Ambitioniertes Quintett
Livio Bordoli strebt in Aarau in der heute beginnenden Challenge-League-Saison das Gleiche an, was er im Frühling bereits mit Lugano geschafft hat: den Aufstieg. «Wir sind uns bewusst, dass unser konkretes Ziel kein Selbstläufer ist», sagte Bordoli. Mit Ausnahme von Goalie Joël Mall blieben die Teamstützen den einst «Unabsteigbaren» treu. Das grosse Aufrüsten überliess Aarau den anderen. Lausanne-Sport operiert nach einer Budget-Reduktion um 35 Prozent zwar nur noch mit rund vier Millionen Franken. Aber die Zuzüge Xavier Margairaz, Arnaud Bühler, Jocelyn Roux oder der derzeit noch verletzte uruguayische Altstar Walter Pandiani verleihen dem ansonsten jungen Team von Fabio Celestini viel Routine.
Die Waadtländer wollen ebenso unter die «Top 4 oder 5» wie das zuletzt erstarkte Winterthur oder der kleine Nachbar Le Mont. Bei diesem stehen neu unter anderen Daniel Gygax, Xavier Hochstrasser und der französische Stürmer Matt Moussilou (fällt wegen einer Operation der gerissenen Achillessehne mindestens drei Monate aus) unter Vertrag. In Biel redet der neue Mehrheitsaktionär, der Zürcher Rechtsanwalt Carlo Häfeli, trotz des sportlichen Abstiegs – Biel blieb nur wegen Servettes Zwangsrelegation zweitklassig – von Super League, ohne aber ein konkretes Zeitfenster zu nennen. Mit dem Bezug des neuen Stadions in gut drei Wochen wäre zumindest die Infrastruktur gegeben. Das Kader erfuhr indes gewichtige Mutationen: 16 Spieler gingen, 16 neue kamen. Insofern ist ein Mittelfeldplatz das realistische Ziel für die Seeländer, die ihre achte Challenge-League-Saison in Serie in Angriff nehmen.
Auch Neuchâtel Xamax, das nach dem Neuanfang in der 2. Liga interregional nach der turbulenten Zeit unter Tschagajew zuletzt dreimal hintereinander aufgestiegen ist, will langfristig wieder auf höchstem Level spielen. Schaffhausens Trainer und Sportchef Maurizio Jacobacci möchte mit praktisch unverändertem Kader durch einen guten Start eine Basis für den frühzeitigen Klassenerhalt legen. «Wir wollen möglichst früh viele Punkte sammeln, um nicht in den Abstiegskampf verwickelt zu werden.» Die gleiche Zielsetzung hat auch Chiassos impulsiver Coach Marco Schällibaum.
Challenge League. Spielplan 2015/16. 1. Runde: Samstag, 18. Juli, 17.45 Uhr: Lausanne-Sport – Biel, Winterthur – Wil. – Sonntag, 19. Juli, 15.00 Uhr: Le Mont – Chiasso, Schaffhausen – Neuchâtel Xamax. – Montag, 20. Juli, 19.45 Uhr: Aarau – Wohlen.