Die Kommentatoren sind sich nach den Zürcher Wahlen einig: Die Bürgerlichen haben zu einem guten Teil gewonnen, weil anders als vor vier Jahren wirtschaftliche und nicht ökologische Sorgen die Wählerschaft drückten. Erwartet wird nun Sparpolitik.
«Die Wirtschaftsfrage ist Thema Nummer 1: Arbeitsplätze, Währungsturbulenzen, Zinsen. Die Leute stellen sich mehr als bisher finanzielle Fragen, und weniger ökologische», schreibt der Kommentator des «Tages-Anzeiger» am Montag zum Ausgang der Wahlen.
Die Aufhebung des Mindestkurses zum Euro im Januar habe den Bürgerlichen in die Hände gespielt. Der Fukushima-Effekt, der den Grünen und Grünliberalen vor vier Jahren viele Stimmen gebracht habe, sei verpufft. «Jetzt ist die Angst vor Atomkatastrophen abgeklungen.»
Mehr Vertrauen in Bürgerliche
Mit Blick auf Themen wie Frankenstärke, Druck auf den Werkplatz, Arbeitsplatzsicherheit und «leeren Staatskassen» wendeten sich die Wählerinnen und Wähler wieder Parteien zu, «denen sie in wirtschaftlichen Fragen Kompetenz zuschreiben», kommentiert die «Neue Zürcher Zeitung».
Der Winterthurer «Landbote» erklärt das Resultat ebenfalls mit den derzeit vorherrschenden Sorgen: «In wirtschaftlich turbulenten Zeiten interessieren Umweltfragen die Wählenden ganz offensichtlich weniger, umso mehr vertrauen sie jenen Parteien, die sich ökonomischen Anliegen verschrieben haben».
Korrektur – nicht Revolution
Zürich habe «keine konservative Revolution erfahren, sondern eine Korrektur gegenüber 2011», schreibt der Kommentator der «Aargauer Zeitung». Auch aus seiner Sicht haben Themen wie EU, «unsichere Wirtschaftslage, Frankenstärke und das Misstrauen bei sozialen Themen» bürgerlichen Lösungen genützt.
Als «gut für die Schweiz» wertet der «Blick» den Wahlerfolg der Zürcher FDP. «Wir leben in ökonomisch schwierigen Zeiten, in denen neue Jobs wichtiger sind als neue Steuern», schreibt der Chefredaktor.
Ähnlich sieht es die «Neue Luzerner Zeitung»: Das Versprechen der Bürgerlichen, «Unternehmen zu entlasten, scheint in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Stimmbürger eher zu überzeugen als staatliche Eingriffe». Auch beim Newsportal Watson ist zu lesen, dass wirtschaftliche Existenzängste den Menschen derzeit näher stünden als ökologische. «Fukushima ist weit weg.»
«Der Bund» spricht von der «Wiederauferstehung der FDP im Kanton Zürich» und stellt nüchtern fest, dass es derzeit «kein Nachteil» sei, als Wirtschaftspartei zu gelten. Aus Sicht des Kommentators dürfte die FDP auch zugelegt haben, «weil sie sich für eine pragmatische Europapolitik mitsamt bilateralen Verträgen einsetzt».
Allianz ohne Störgeräusche
Der bürgerliche Erfolg sei auch ein Erfolg der bürgerlichen Wahlallianz unter dem Motto «Top 5», schreibt die NZZ. Im Gegensatz zu den heftigen Debatten auf nationaler Ebene habe es in Zürich keine Störgeräusche gegeben. «Es hat sich bewährt, die bürgerlichen Kandidaten auf ein schlankes, auf Kernpunkte fokussiertes Wahlprogramm zu verpflichten.»
Hauptsächlich auf die bürgerliche Zusammenarbeit führt der Kommentator der «Basler Zeitung» den Erfolg zurück: «Das Ende des bürgerlichen Zwists legte das Fundament für den gestrigen Erfolg.» Aus seiner Sicht drängt sich ein ähnlicher Schulterschluss von SVP, FDP und CVP auch auf nationaler Ebene auf.
Sparen als Folge
«Die Folgen des Rechtsrutschs werden im Kanton Zürich spürbar sein», meint der «Tages-Anzeiger» zu den Konsequenzen der Kantonswahl. «Steuererhöhungen sind nun ausgeschlossen, Sparübungen so gut wie sicher. Dass es ökologische oder soziale Fragen künftig schwer haben werden, liegt auf der Hand.»
Die Gewinner haben aus Sicht der NZZ «schwierige Aufgaben zu lösen». Dass SVP, FDP und CVP im Parlament wieder eine knappe Mehrheit bildeten, sei eine Verpflichtung. «’Top 5′ darf nicht mit dem Wahltag enden.» «Einschneidende Sparmassnahmen» seien unvermeidlich und es gelte die Standortattraktivität zu steigern.
«Rückkehr zum Courant normal»
Die Abwahl des Grünen Justizdirektors Martin Graf und die Wahl der CVP-Politikerin Silvia Steiner sieht der «Tages-Anzeiger» als «Rückkehr zum Courant normal». Fünf bürgerliche Vertreter in der Kantonsregierung sei vor der Jahrtausendwende die Norm gewesen.
Dass es Graf traf, wird mit verschiedenen Faktoren erklärt: Einerseits seine Rolle in der Affäre um den Jugendstraftäter «Carlos», andererseits das schlechte Abschneiden der Grünen. Die NZZ moniert auch Grafs «sehr durchzogene Leistungsbilanz».
Widmer-Schlumpf gefährdet
In der Westschweiz interpretieren die Zeitungen «24Heures» und «Tribune de Genève» das Zürcher Resultat als Anzeichen für einen Rechtsrutsch bei den bundesweiten Wahlen im Herbst. Gefährdet wäre darob besonders eines: der Bundesratssitz von Eveline Widmer-Schlumpf.