«Wissen Sie, was Sie da schliessen?»

Die in Basel lebende Schriftstellerin Nimet Sahin wehrt sich in einem offenen Brief an die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch gegen die geplante Schliessung des Literaturmuseums Strauhof in Zürich. Sehr verehrte Frau Mauch, kürzlich habe ich in Zürich erfahren, Sie wollen Ihr schweizweit, vielleicht auch europaweit oder gar weltweit, einzigartiges Literaturmuseum schliessen. Ab 2015 soll das […]

Das Literaturmuseum Strauhof in Zürich.

Die in Basel lebende Schriftstellerin Nimet Sahin wehrt sich in einem offenen Brief an die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch gegen die geplante Schliessung des Literaturmuseums Strauhof in Zürich.

Sehr verehrte Frau Mauch,

kürzlich habe ich in Zürich erfahren, Sie wollen Ihr schweizweit, vielleicht auch europaweit oder gar weltweit, einzigartiges Literaturmuseum schliessen. Ab 2015 soll das Literaturmuseum Strauhof in ein literarisches Laboratorium für Jugendliche umgewandelt werden. Die Jugendlichen sollen vermehrt in den Genuss von Lesen und Schreiben kommen.

Schön und gut.
Nur warum um Himmels willen spielen Sie das eine gegen das andere aus?

Gerade durch die vielfältigen, umfangreichen, gutfundierten, wissenschaftlichen und kreativen Ausstellungen, die einen dreidimensionalen Effekt haben, bei denen man das Gefühl bekommt, man lebt darin, in der Literatur, dient das Strauhofmuseum als eine literarische Oase. Genau diese Trouvaille stimuliert und animiert unglaublich zum Lesen und zum eigenen Selbstversuch-Text.

Diese wertvolle Förderung – nicht nur für die Jugendlichen, sondern auch für die Erwachsenen – wollen Sie mit der Schliessung des Museums eliminieren?

Wollten Sie nicht fördern?

Schliesslich könnten Sie mit Ihren oder ähnlichen Argumenten ein Museum nach dem andern schliessen. Die Gründe für eine Schliessung sind rasch gefunden, wer sucht, der findet.

Absurd?
Genauso absurd ist es, das Strauhofmuseum schliessen zu wollen.

Waren Sie mal im Strauhofmuseum?
Wenn ja, wievielmal haben Sie dort eine Ausstellung besucht?

Verzeihung, wissen Sie, was Sie schliessen?
Und Zürich will sich eine Literaturstadt nennen?

Diese Anekdote müssen Sie erfahren: Im Zug sass ein kleines Mädchen neben mir und war in ein Märchenbuch vertieft, ich sprach sie an: «Du hast aber ein schönes Buch.» Daraufhin sagte sie: «Mama und ich waren in einer Märchenausstellung, ja und dann wollte ich unbedingt auch so ein Buch haben. Mama hat es dann gekauft.» Die Mutter ergänzte, sie seien in Zürich in einem Literaturmuseum gewesen.

Ich bitte Sie, Frau Mauch, lassen Sie solchen Kindern, Ihrer Bevölkerung, Ihrer Stadt, der gesamten schweizerischen Bevölkerung und über die schweizerischen Grenzen hinaus das einzigartige Museum.

Mit freundlichen Grüssen
Nimet Sahin

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