Auf der Suche nach grösstmöglicher Sicherheit vor Gewalttätern stossen Gutachter und Richter an ihre Grenzen. Wie ein schwerkranker Gewaltverbrecher zum Opfer einer Justiz wurde, die nicht mehr nur für Gerechtigkeit, sondern präventiv für Sicherheit sorgt.
Treppensteigen geht schon lange nicht mehr. Permanente Sauerstoffzufuhr hilft beim Atmen, Morphium gegen die Schmerzen. Marcel Habegger (Name geändert) leidet an der Lungenkrankheit COPD.
Doch der 63-Jährige ist nicht nur Opfer, er ist auch Täter. Ein Gewaltverbrecher, der seit 20 Jahren eingesperrt ist, weil er drei Frauen vergewaltigte und auf Bewährung ein achtjähriges Mädchen missbrauchen wollte. Die letzten Jahre verbrachte er in Verwahrungshaft in der Berner Vollzugsanstalt Thorberg.
Druck aus Bern
Ende 2012 öffneten sich die Gefängnistüren einen Spalt breit. Das Basler Strafgericht entschied, dass Habegger noch zwölf Monate verwahrt bleiben solle, die Haft stufenweise gelockert und der Sträfling nach ein paar weiteren Jahren entlassen würde.
Doch das dafür zuständige Basler Amt für Justizvollzug sistierte das Urteil stillschweigend, bis Druck vonseiten der Berner Justiz neue Bewegung in den Fall brachte.
Inzwischen ist Habegger in die Anstalt Bostadel (ZG) eingewiesen worden, wo er die nötige pflegerische Betreuung erhält. Doch die Chancen, dass er das Gefängnis je lebend wird verlassen können, sind klein.
Auf Grundlage neuer Gutachten hat das Basler Strafgericht entschieden, dass die Verwahrung um weitere fünf Jahre verlängert und danach eine erneute Überprüfung vorgenommen wird – obwohl der Schwerkranke keine ernsthafte Gefahr mehr für die Gesellschaft darstellt und für seine schweren Verbrechen gebüsst hat.
Renato Beck hat den gebürtigen Ostschweizer im Gefängnis besucht. Entstanden ist ein eindrückliches Porträt eines Schwerverbrechers, der am Ende selber zum Opfer wurde. Zum Opfer einer Justiz, die nicht mehr nur für Gerechtigkeit sorgt, sondern sich präventiv für mehr Sicherheit einsetzt.
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