Wenns heiss ist in Berlin, dann ists heiss. Warum also nicht ausweichen, zum Beispiel in den Untergrund? Dort gibt es zahlreiche dunkle Ecken aus früheren dunklen Zeiten zu entdecken.
Ein mulmiges Gefühl beschleicht uns beim Abstieg durch die engen Treppen. Helmtragen ist Pflicht, ein Abstand von mindestens drei Metern zwischen zwei Personen muss eingehalten werden. Frei tragende Abdeckungen bieten schwindelerregende Blicke in den Abgrund. Wir befinden uns beim Volkspark Humboldthain in Berlin, genau genommen inmitten eines Trümmerberges.
«Blicken Sie einmal auf diese Berlin-Karte aus dem Jahre 1945: Fällt Ihnen etwas auf?» Niemand der knapp zwei Dutzend Besucherinnen und Besucher kann die Frage des Tourenführers beantworten, obwohl sicher die meisten schon Bilder von der zerstörten Hauptstadt nach dem Zweiten Weltkrieg gesehen haben.
«Praktisch alle Häuser rund um uns herum sind intakt geblieben», klärt der Mann auf. Dass die Flugzeuge der Alliierten im Krieg einen weiten Bogen um diese Gegend machten, leuchtet ein: Eines der drei Flakturmpaare, die auf persönlichen Befehl Hitlers um 1940 in Berlin aufgestellt wurden, hatte seinen Standort hier im Volkspark Humboldthain. Die Festung galt als uneinnehmbar, und sie war es auch. Die Türme dienten nicht nur als Schiessanlage. Unter den meterdicken Stahlbetonplatten fanden auch Tausende von Zivilisten bei Bombenangriffen Schutz. Nach dem Krieg wurden die Flaktürme gesprengt, ein Teil des Geschützraums blieb als Ruine erhalten.
Trümmer als Touristenattraktion
Diese Schrecken der Vergangenheit können heute von jedermann besichtigt werden. Freiwillige der «Berliner Unterwelten e.V.», die Gesellschaft zur Erforschung und Dokumentation unterirdischer Bauten, haben den Trümmerschutt bewegt, eine Touristenattraktion daraus gemacht und den Ort zugleich zu einem bedeutenden Winterquartier für Fledermäuse ausgebaut.
Helmtragen ist hier Pflicht. (Bild: Berliner Unterwelten e.V. / Holger Happel)
Der Standort Humboldthain ist aber nur einer von zahlreichen Orten im Untergrund Berlins, wo Reste aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zu bestaunen sind. Beispiel Gesundbrunnen: Täglich laufen Tausende von Menschen an einer grünen Tür am dortigen U-Bahnhof vorbei, wohl ohne zu ahnen, dass sich dahinter geschichtsträchtige Räume verbergen. In unterirdischen Schutzräumen suchten Tausende von Menschen auf mehreren Etagen Schutz vor Bomben. Nach dem Krieg hatten die Alliierten auf eine Sprengung der Anlage verzichtet, weil dadurch der U-Bahn-Tunnel gefährdet worden wäre. Man kann nur erahnen, wie eng aneinandergepfercht die Menschen hier gehaust haben müssen. Der Begriff «Dichtestress» hätte damals sicher seine Berechtigung gehabt.
Fluchtversuche und Geisterbahnhöfe
Aber nicht nur der Zweite Weltkrieg hinterliess sehens- und nachdenkenswerte Spuren unter der Erde. In einer Tour der Gesellschaft Unterwelten wird auch die Geschichte der Mauerdurchbrüche erzählt, ebenso erfährt man viel Interessantes über erfolgreiche und weniger erfolgreiche unterirdische Fluchtversuche und Geisterbahnhöfe während des SED-Regimes.
Nicht mehr alles ist intakt geblieben – was manchmal ganz schön furchterregend wirkt. (Bild: Berliner Unterwelten e.V. / Holger Happel)
Bei allen Führungen sind gutes Schuhwerk und warme Kleidung kein Nachteil (Temperaturen zu jeder Jahreszeit um die zehn Grad). Der Verein Unterwelten möchte für die Führungen aufgrund der Inhalte eher Erwachsene ansprechen. Von einer bestimmten Tour abgesehen, mit dem Titel «Mama, was ist ein Bunker?», dürfen Kinder unter sieben Jahren nicht an den Touren teilnehmen. Jugendlichen wird der Besuch erst ab etwa 15 Jahren empfohlen. Aus baulichen Gründen sind die Anlagen zudem nicht barrierefrei zugänglich. Das Fotografieren und Filmen ist nicht gestattet. Eintrittskarten sind nur für den jeweiligen Tour-Tag erhältlich. Es gibt keinen Vorverkauf, auch keine Reservierungs- oder Anmeldemöglichkeit.
- Zum Nachdenken: Besuch im Berliner Unterwelten-Museum. Viele Infos auf vier Etagen.
- Zum Schaudern: Die Tour «Atomschutzvorbereitung für den Ernstfall – Was zum Glück nie Realität wurde».
- Zum Ausgehen für den schnellen Hunger: «The Castle Pub».