Wochenendlich in Amsterdam

Museumsbesuch, Absacker und Katerspaziergang passen wunderbar in ein Holland-Weekend.

Kultur, ehe man sich ins Nachtleben von Amsterdam stürzt: das Filminstitut Eye. (Bild: zVg)

Museumsbesuch, Absacker und Katerspaziergang passen wunderbar in ein Holland-Weekend.

Mal nachschauen, was ein Filmerlebnis sonst noch kann ausser einer platten Kinoleinwand und Kopfschmerzen dank 3D-Brillen?

Das Filminstitut Eye in Amsterdam, Zentrum für Vergangenheit, Gegenwart und – so wird sich zeigen – Zukunft der Filmkultur, zeigt in seiner neuen Instal­lation «Expanded Cinema» mehrere Filme, die man zu begehen hat: Anstatt sich auf einen Stuhl vor den Film zu setzen, wandelt der Besucher durch den Saal und verschiedenen Leinwänden entlang, auf denen die Szenen der Filme in unterschiedlichen, bis zu 360 Grad umfassenden Perspektiven gezeigt werden.

Das Schöne daran ist, dass die ausgewählten Filme nicht rein experimentell zu erfahren sind, sondern Storys erzählen und die Form mit den Geschichten kor­respondiert: Geschichten von vielschich­tigen Charakteren, deren Schichten nun aus verschiedenen Winkeln erschlossen werden können.
Man muss das «Eye» für die Üppigkeit, mit der es seine Projekte darstellt, lieben. Vor Kurzem zeigte es eine ausgedehnte Schau über das Werk des britischen Regisseurs Stanley Kubrick («A Clockwork Orange», «Full Metal Jacket») – und zwar nicht nur seine wegweisenden Filme, verteilt auf vier Kinosäle, sondern auch ihre Entstehungsgeschichte. Vom Drehbuch zum Storyboard, von den Castings bis zu alternativen Einzelszenen.

Kommt hinzu, dass das Institut, be­eindruckend am Wasser gegenüber dem Hauptbahnhof gebaut, über ein Film­archiv von fast 40 000 Titeln verfügt. Man kann dort also gut einen Nachmittag sausen lassen. Sozusagen nebenan ist übrigens die NDSM-Werft, früher die grösste der Stadt, nun ein Kreativviertel. Wo früher Tanker ins Wasser glitten, finden heute Festivals und Kunst im öffentlichen Raum statt, dazu gibts Ateliers, Bars, Kneipen und ­immer wieder eine Party direkt am Flussufer.

Weiter im Süden der Stadt hat ausserdem das Stedelijk Museum, das bis zu seiner temporären Schliessung vor acht Jahren als eines der bedeutendsten Museen für moderne Kunst Europas galt, vor wenigen Tagen nach einer langen und zähen Umbauphase Wiedereröffnung gefeiert.

Nach all der Kunst muss man absacken, und dafür mangelt es in Amsterdam kaum an Möglichkeiten. Neben all den Coffeeshops, Bierkneipen und Touristenbars empfehlen sich die auf liebevollen, schlechten Geschmack getrimmte Rock ’n’ Roll-Kneipe Pacific Parc mit Livetrash von ­Sardinien oder aus dem transsilvanischen Wald die Bar De Nieuwe Anita mit Soul-DJs und Strickecke – und für die Tiefen der Nacht der Technoclub Trouw in einer ehemaligen Druckerei. Und am nächsten Tag ein Katerspaziergang im Vondelpark mit Kaffee und Kuchen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.10.12

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