Wochenendlich in Auch

Aus der Gegend um das südfranzösische Städtchen Auch kamen einst die Armagnaken-Söldner marodierend nach Basel. Rund 500 Jahre später lohnt sich der umgekehrte Weg für einen historisch-literarischen Kurzurlaub.

Wow! Das Château de Montaigne.

(Bild: Andreas Schneitter)

Aus der Gegend um das südfranzösische Städtchen Auch kamen einst die Armagnaken-Söldner marodierend nach Basel. Rund 500 Jahre später lohnt sich der umgekehrte Weg für einen historisch-literarischen Kurzurlaub.

Schon wieder: «Ville médiévale». Wer durch Südfrankreich fährt, quasi in Sichtweite der Pyrenäen, begegnet dem Schild immer wieder. Man kann nicht alle mittelalterlichen Orte sehen, man muss sich entscheiden, auch in den Ferien. Also rein ins Städtchen Auch (ausgesprochen: «Osch»).

Das Städtchen, eine Stunde westlich von Toulouse, war mal Sitz der Grafen von Armagnac, nach denen der Söldnerhaufen benannt wurde, der 1444 bis nach St. Jakob an der Birs vorstiess. Das Grafenhaus ist längst erloschen, auch die gleichnamige ehemalige Provinz gibt’s nicht mehr.

Dafür gibt es den gleichnamigen Weinbrand noch, den ältesten Frankreichs. Man soll sich ruhig ein Glas davon gönnen, während man sich über die Liste der Sehenswürdigkeiten beugt. Und die gibt’s weiterhin, auch wenn Auch mittlerweile auf eine Einwohnerzahl von kaum mehr als 20’000 Menschen geschrumpft ist. 

Adam, Eva und ein paar Lokalheilige

Zum Beispiel die Marienkathedrale. Gotisch natürlich, schwer und massiv und viel zu gross, eigentlich, für so ein Städtchen – man sieht sie schon auf dem Hügel der Altstadt thronen wenn man auf Auch zufährt. Das Besondere daran ist die Innenausstattung: im Chor finden sich 113 aus Eiche geschnitzte Holzfiguren aus dem 16. Jahrhundert, die die Bibelgeschichte von Adam und Eva bis zur Kreuzigung nacherzählen, mit ein paar nachgeschobenen lokalen Heiligen.

Den berühmtesten Lokalheld findet man jedoch ausserhalb, ein paar Schritte hinter der Kathedrale die grosse Treppe runter zum Fluss Gers: D’Artagnan, dessen bewegtes Leben Alexandre Dumas zu seinem Roman «Die drei Musketiere» inspirierte. In Lupiac, dem Geburtsort des königlichen Streiters, eine knappe halbe Stunde Autofahrt aus Auch hinaus, entdeckt man im eigens hergerichteten Museum die historische Figur hinter dem Romanhelden.

Das Schwert des Engels

Überhaupt, ab und zu ins Auto steigen lohnt sich. Zum Beispiel nach Norden ins Dorf Rocamadour. Touristen gibt’s hier zuhauf, aber man soll sich davon nicht abschrecken lassen: das dreistufige, an eine hohe Felsmauer geschmiegte Dorf ist schon allein als Fotosujet einen Besuch wert. Der Wallfahrtsort mit dem überwältigenden Kloster, dessen Kernstück die Krypta des Einsiedlers Amadour bildet (gemäss einer Überlieferung ein Weggefährte Jesu aus dem Heiligen Land), hält jedoch noch eine schöne Legende bereit: In der Felswand steckt ein Schwert in einem Spalt – und zwar nicht irgendeines.

Durendal mit Namen, soll die Klinge einst von einem Engel an Karl den Grossen für seinen Kampf gegen die Heiden überreicht worden sein, der es schliesslich seinem tapferen Gefährten Roland weitergegeben habe. Im Kampf gegen die Sarazenen soll er das geheiligte Schwert schliesslich in die Felswand geworfen haben, auf dass es keiner herausziehen möge. Die Sage ging schliesslich ein ins Rolandslied, eines der ältesten französischen literarischen Werke. 

Ohne Schmunzeln über solch Frömmigkeitskitsch geht man von diesem Ort nicht weg, aber für Trips auf literarischen Spuren hält die Region noch zwei Hotspots bereit: Mehr im Osten, auf dem Weg nach Bordeaux, stossen wir auf den eindrucksvollen Familiensitz des Humanisten und Essayisten Michel de Montaigne, und auf dem Rückweg halten wir in Figeac – auch so eines dieser kleinen südfranzösischen Städtchen mit wunderbarer Altstadt.

Aber unser Ziel ist das Museum zu Jean-François Champollion. Der berühmteste Sohn des Ortes wurde zwar nur knapp über 40 Jahre alt, hat aber im 19. Jahrhundert geknackt, was vorher Generationen vergeblich versucht haben: Er entschlüsselte die altägyptischen Hieroglyphen. Wie er das hingekriegt hat, dazu gibt das Museum einen umfassenden Eindruck.

Viel zu lesen also abends, zurück in Auch. Bei einem Glas Armagnac.

  • Zum Stöbern: «Le Migou» in Auch – leckere Snacks, vor allem aber ein wohlsortierter Comic-Shop in der Altstadt von Auch. Das machen sie schon richtig in Frankreich, die Kultur der «bandes dessinéees» derart hochzuhalten.
  • Zum Durchschreiten: Rocamadour, das Städtchen an der Felswand, begeht man am besten von oben her: auf dem Plateau die stattliche Burg, dann den Kreuzgang inklusive Höhlentour entlang der Felswand zum Wallfahrtskloster mit Krypta und Sagenschwert, und auf der tiefsten Ebene schliesslich ein Spaziergang durch die mittelalterliche Gasse, wo man in ein Stück des gleichnamigen Ziegenkäse beissen sollte. Bevor es wieder rauf geht. 
  • Zum Abmarschieren: Der Pilgerweg nach Santiago de Compostela führt durch die Gegend. Eine schöne Etappe mit fettgrünen Hügeln zwischen Sonnenblumenfeldern und Kastanienbäumen.
  • Zum Einkaufen: Zweimal in der Woche ist Markt in Auch. Neben den lokalen Weinen und Spirituosen vor allem empfehlenswert für Unmengen an Käse und Fisch.


    Hunger! Der Markt in Auch ist ein Fischparadies.

    Hunger! Der Markt in Auch ist ein Fischparadies. (Bild: Andreas Schneitter)

     

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