Halb Europa reist nach Barcelona. Trotzdem gibt es noch Viertel, wo fast nur Katalanisch gesprochen wird.
Klar, den Parc Güell, die Casa Batlló, den Mercat de la Boqueria, die Fundació Joan Miró, die Casa Milà, die Sagrada Família – das alles darf man auch gesehen haben in Barcelona. Besuchen Sie diese Sehenswürdigkeiten, die in jedem Reiseführer exzessiv beschrieben werden, aber nicht am ersten Tag. Vom besonderen Charme der Stadt bekommen Sie an diesen Orten nichts mit: Hier stehen sich vor allem Touristen gegenseitig auf den Füssen herum.
Dasselbe gilt für die Rambla. Vergessen Sie die Vorzeigepromenade Barcelonas! Sie hat ihren einstigen Glanz längst verloren. Tagsüber quetschen sich Tausende von Schaulustigen an Strassenkünstlern, Nippesständen und überteuerten (und schlechten) Restaurants vorbei; nachts wird die Rambla zum Tummelfeld von Dealern aller Art.
Viel besser ist es, die Stadt von den Rändern her zu erobern. Zum Beispiel vom Stadtteil Barceloneta aus – dem kleinsten Quartier Barcelonas, direkt am Hafen gelegen. Hier wohnten einst Fischer und Fabrikarbeiter. Kilometerweit kann man von hier aus an einem der schönsten Stadtstrände Europas dem Meer entlang spazieren – eine perfekte Einstimmung auf ein Barcelona-Wochenende. Auf der Wanderung begegnet man mehreren Strandrestaurants, die von aussen wenig hergeben und deshalb kaum von Touristen heimgesucht werden. Bei den Einheimischen sind diese Lokale sehr beliebt. Kein Wunder, nirgendwo erhält man so günstig ein so gutes Mittagessen und geniesst eine so prächtige Aussicht aufs Meer.
Schön in den Tag starten lässt sich auch auf Barcelonas Hausberg, dem Tibidabo. Von hier aus haben Sie den besten Blick über die Stadt, die weit vorne im Mittelmeer zu versinken scheint. Fahren Sie mit der U-Bahn (L7) bis zur Avinguda del Tibidabo, steigen Sie dort in die antike Tramvia Blau – lange Zeit das einzige Tram der Stadt.
Viele Barcelona-Reisende schwören auf die Altstadtquartiere Barri Gòtic (und hier vor allem auf die berühmte Plaça Reial) oder El Born. Keine Frage, diese Orte sind zauberhaft – das wissen aber auch die Mitreisenden auf Ihrem ausgebuchten EasyJet-Flug. Vor allem in den warmen Monaten ist in Barcelonas Altstadt fast kein Durchkommen. Besuchen Sie diese Viertel am besten an einem Wochenende zwischen November und Februar. Dann sind auch die Warteschlangen vor dem Picasso-Museum im Born erträglich – und Katalanisch wird wieder zur Hauptsprache in der Hauptstadt Kataloniens.
Zu jeder Jahreszeit ein Geheimtipp ist das Gràcia-Viertel mit seinen vielen kleinen, verwinkelten Gassen. Die Barcelonesen lieben die Gràcia auch wegen des Stadtfests «Fiesta Major», an dem die Bewohner ihre Strassen individuell und sehr liebevoll schmücken (15. bis 21. August). In der Gràcia lässt sich abseits der teuren Einkaufsstrassen in kleinen Boutiquen perfekt shoppen. Und hier gehören auch die vielen schmucken Bars und Restaurants noch ganz den Barcelonesen. Lassen Sie sich vom Instinkt leiten und betreten Sie das erstbeste Lokal, das Ihnen gefällt – in der Gràcia wurde noch kein Gast enttäuscht.
- Anbeissen: Can Margarit, in einer ehemaligen Scheune. Spezialität des Hauses ist Küngel auf Zwiebeln, und den Wein zapft man selber ab …, C/ de la Concórdia, 21.
- Anschauen: Parc del Laberint. Schönster Park der Stadt, wegen seiner abgelegenen Lage im Norden der Stadt kaum bekannt. Eine Szene aus dem Film «Das Parfüm» wurde hier gedreht, Pg. dels Castanyers, 1.
- Ausgehen: Ganz Barcelona ist voller guter Clubs (Achtung: Richtig los gehts ab 3 Uhr morgens). Speziell ist der Harlem Jazz Club (gilt als bester Live-Jazzclub der Stadt), Comtessa de Sobradiel 8. Im Rock/Pop/Partysektor angesagt ist das «Razzmatazz» (fünf Säle, oft Konzerte), C/ Almogavers, 122 – C/ Pamplona, 88.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25.05.12