Wochenendlich in Bozen

Ötzi war Italiener, sagen die Südtiroler stolz. Und verweisen auf seinen Sinn für Mode.

Im Rahmen seiner Möglichkeiten immer noch frisch, aber etwas erschreckend: Ötzi

Ötzi war Italiener, sagen die Südtiroler stolz. Und verweisen auf seinen Sinn für Mode.

Wir fahren von Zürich nach Landquart, das Prättigau hoch und auf dem Autozug nach Zernez. Die Bahn hat Verspätung, weshalb Frau vor dem Autoverlad rasch eine Rösti mit Ei kocht. Von dort weiter auf den Ofenpass. Illegal, aber schön lockt der Parkplatz unterhalb der Passhöhe zum Übernachten. Die Sterne funkeln, die Heizung läuft, das Bier schmeckt und die vier träumen im Wohnwagen von Bären und anderen Monstern. Denn die Gutenachtgeschichte handelte vom Meister Petz, der ein paar Tage zuvor die Bienen­stöcke hier oben vor der Schule plünderte.

Tags darauf wirds unheimlicher. Der Mann wurde ermordet. Daran besteht kein Zweifel. Zuvor muss es eine Auseinandersetzung gegeben haben, denn der Alte hat tiefe Schnittwunden an Armen und einer Hand. Niedergestreckt wurde er erst ein paar Tage später mittels Pfeilschuss in die Schulter. Endgültig den Garaus machte ihm der Täter, indem er ihm mit seiner ­eigenen Axt eins überbriet.
So weit die Fakten.

Das alles ereignete sich vor rund 5000 Jahren. Frozen Fritz, wie er zunächst hiess, wurde gefunden, der Täter bis heute nicht.

Der Eismann war Italiener, so viel ist sicher, denn er trug eine damals modische Bärenfellmütze und einen Mantel mit gestreiftem Ziegenfell. Dieses Gespür für Mode gehe Österreichern bis heute ab, bemerkt Peter, der Guide unserer Kinderführung, maliziös. Zudem lag der Eismann 92 Meter weit im italienischen Teil des Gletschers. Man hat nachgemessen, das Gebiet neu kartografiert und Ötzi zu seiner rechtmässigen Ruhestätte gebracht.

Sein Messerchen war aus Feuerstein, die erwähnte eigene Axtklinge aus Kupfer. Der Mann sieht im Rahmen seiner Möglichkeiten und nach 5000 Jahren Gefriertrocknung recht frisch, aber er­schre­ckend aus. Ötzi kann gegen ein Entgelt von 18 Euro (Familienkarte) hinter Glas in Bozen besichtigt werden.

Die Ausstellung im Archäologischen Museum in Bozen ist nach neusten Er­kennt­nissen kuratiert. Herr Mörgeli hätte sie sich vor seiner Entlassung ansehen sollen. Er hätte gelernt, dass Wissenschaft spannend, interessant und publikumswirksam inszeniert werden kann.

Danach verpflegen wir uns auf dem Markt. Die Äpfel leuchten in allen Farben und sind knackig. Und mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch uns. Die ­Bozener Touristenbehörde schreibt, dass die Dolomiten die schönsten Berge der Welt seien. In dem Fall wünschen wir uns, dass das Bundesamt für Landestopografie nochmals nachmisst, ob die Dolomiten nicht doch in der Schweiz liegen. Die Spitzen leuchten abends auf jeden Fall so schön, dass der Alpenfirn sich rötet.

Auf dem Weg zurück fahren wir überden Reschenpass und staunen ob des Kirchturms im Stausee. Die Bewohner des Dorfes staunten auch nicht schlecht, als man sie anno 1949 enteignete und das Dorf ausser dem St.-Peter-Turm mit Dynamit verfeinerte.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.11.12

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