Wochenendlich in den Flumserbergen

Wie geht das eigentlich, campieren im Winter? Ein Erfahrungsbericht.

(Bild: Michael Würtenberg)

Wie geht das eigentlich, campieren im Winter? Ein Erfahrungsbericht.

Der Turbo unseres Autos heult wie ein Wolf, als wir unseren Wohnwagen die acht Kilometer von Flums auf die Alp Tannen­boden schleppen. ­60 Caravans sind schon da. Wir sind mit unserem Wohnwagen-Aufzug die Letzten, die sich für den Winter hinter dem Sessellift Chrütz einrichten wollen. Eine Siedlung, einem Roma-Camp nicht unähnlich, auf 1400 Meter über Meer. Und wir sind blutige Wintercamping-Anfänger. Die anderen glänzen mit Vorbauten, Terrassen, Treppen und zwei bis drei Wohnwagen auf Baugerüsten, die mit Spanngurten gegen Föhnstürme gesichert sind.

So ist Heimwerken angesagt. Ein Boden fürs Vorzelt muss her. Ab zum Baumarkt, einen halben Wald kaufen, Handkreissäge mieten und wieder hoch. Bauen macht Spass, befreit Körper und Geist, zumal die Sonne den Rücken wärmt. So verbringen wir die Wochenenden in den «Flumsi», wie wir die Flumserberge bald nennen. Oft auch mit Schaufeln, weil unser Zweitwohnsitz unter einem Meter Schnee begraben ist. Die im Brocki gekauften Schaufeln ­brechen nach wenigen Hieben in den vereisten Schnee. Die Nachbarn leihen uns Werkzeug. In der ersten Nacht im Häuschen auf Rädern, das bis April immobil ist, schlafen wir alle tief und fest. Die Heizung läuft mit Gas und ist gut gewartet.

Von einer Tonne Neuschnee erlegt

Als wir am nächsten Tag das Zelt aus­packen, schaudert es uns. Der Plan zum Aufbau ist ein Hohn. Meine Frau Pia ist nicht nur schön, sondern auch genial. ­Jedenfalls meint sie, ich solle doch mal mit den Ski ein Probeschwüngchen machen, sie kümmere sich derweil um das Gestänge. Und so sause ich mit den Kindern zum ersten Mal zu Tal. Ski fahren macht glücklich, und mit Kindern macht es noch mehr Freude. Als wir zurückkommen, steht das Gestänge, und in Minne bauen wir den Rest auf. Mit 50 Laufmeter Doppellatten auf dem Dach fahren ich und unsere vier Zwerge am drauffolgenden Samstag in den Schnee. Unser Winterzelt aber liegt am Boden, von einer Tonne Neuschnee erlegt. Zudem verprügeln sich die Grossen im Auto, und der Kleinste weint, weil ihm die Schwester das Auto weggenommen hat.

Ich will heim, ins Hotel oder besser weit weg – auf die Malediven mit Diener und Dinner. Stattdessen werde ich zum Sklaventreiber und General Patton in Personalunion. Thomas, der Wohnwagennachbar, erkennt das Problem und macht die Erstversorgung mit einem Bier. «Ich hatte letztes Jahr dasselbe Problem, Zelt kaputt mit einem Meter Neuschnee oben drauf, ein Anfängerfehler von Wintercampeuren.»
Nach einem Notruf an meine Pia kommt sie, sorgt für Frieden und Speisen, derweil ich einen Dachstuhl zimmere, der hält. Der erste Sturm rüttelt nachts am Caravan, Böen befördern eine Schicht Schnee ins Zelt. Schäden sind aber keine zu beklagen.

Ich will heim, ins Hotel oder besser weit weg – auf die Malediven mit Diener und Dinner.

Dann beginnt die Skischule, alle sind glücklich. Meine Frau und ich sausen die Pisten runter, geniessen die zwei kinder­losen Stunden. Von der Piste über einen kleinen Abhang direkt zum Winterquartier, etwas kochen und dann ruckzuck wieder auf die Latten, alle bis auf den Kleinsten. Der muss erst noch Ski fahren lernen. Nach einer Woche rast auch er. Die Mühe hat sich gelohnt, denn bis nach Ostern haben wir unseren Zweitwohnsitz in den Flumserbergen. Nach Annahme der Zweitwohnungs­initiative eine zukunftsträchtige Idee.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25.01.13

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