Stolz sind die Einheimischen auf ihre Frösche. Wunderbar ist aber die ganze Stadt.
Estavayer-le-Lac ist Frosch – aber nicht nur. Am Ufer des Neuenburgersees, im Naturparadies Grande Cariçaie, gibt es 300 verschiedene Vogelarten, darunter auch einige seltene wie den Eisvogel, und entsprechend viele Vogelfreunde auf Beobachtungstour.
Mittendrin liegt, leicht erhöht, das Mittelalterstädtchen Estavayer mit seinen nicht mehr als 5500 Einwohnern, das aber doch alles hat, was eine Stadt braucht beziehungsweise brauchte: Stadtmauern, Stadttore, Paläste, ein Schloss, Kirchen, ein Spital. Das alles hat eine Kleinstadt heute vielleicht nicht mehr unbedingt nötig, schön ist es dennoch (einzige Ausnahme: das Spital).
Unglaublich, diese Frösche!
Und dann diese Frösche! Aufsehen erregen nicht nur die hyperaktiven am See unten, die einem mit ihrem Gequake den Schlaf rauben können, sondern mehr noch die überaus stillen im Froschmuseum. 108 Exemplare sind es, die François Perrier, der vielleicht bekannteste Sohn der Stadt und zeitweilige Schweizer Gardist, Mitte des 19. Jahrhunderts getötet, mit Sand gefüllt und in speziellen Positionen fixiert hat. Das genaue Verfahren kennt heute niemand mehr, zum Glück, muss man sagen. Wahrscheinlich hätte schon längst der Tierschutz interveniert, wenn nach François Perriers Vorbild auch an anderen Orten tote Frösche missbraucht worden wären, um irgendwelche Szenen mit viel Menschlichem und noch mehr Allzumenschlichem darzustellen oder fast schon Heiligem wie dem Rütli-Schwur.
So aber geht die Ausstellung im Museum mit den saufenden Politikern, gestrenge Lehrern, gequälten Schülern, wichtigtuerischen Spielern und den Urschweizern in Froschform als Unikum durch, für das sich auch ausländische Medien wie «Die Zeit» schon interessiert haben.
Ganz gross diese Kleinstadt!
Darauf sind die Einwohner selbstverständlich schon ein klein bisschen stolz, was sie auch gerne zeigen. Mit den Riesenfröschen, die über den Strassen hängen (keine echten ausgestopften, sondern echte Kunstwerke). Oder auch mit Froschfesten für Kinder, die für Erwachsene aber mindestens so lustig sind (die einen können spielen und basteln, die anderen ein Gläschen Weissen aus der Region trinken, sehr unkompliziert das Ganze). Überhaupt, diese Anlässe! Diese ständigen Märkte im Sommer vor allem, die so viel Leben in die Stadt bringen, dass sie plötzlich ganz gross wirkt. Dann ist Estavayer wunderbar, nicht nur im Städtchen, sondern auch am See. Ein klein bisschen wie am Meer. Manchmal sogar noch etwas schöner.
- «Apérölen»: Im Clubbeizli des Cercle de la Voile am Hafen unten. Wunderbare Aussicht auf den See.
- Anbeissen: Restaurant de la Gerbe d’Or: Von Einheimischen empfohlen, schönes Interieur, gutes Essen.
- Anschauen: Alles. Am besten macht man einen Stadtrundgang mit Start beim Hafen und geht über Schleichwege wie die Sentiers des Dominicaines zur Stadtmauer und den Türmen. Weiter in die Altstadt, zum Schloss Chenaux mit Abstecher ins Maison de la Dîme, das sogenannte Fröschemuseum (Musée des grenouilles).
- Aktiv entspannen: Spaziergang dem See entlang in der Grande Cariçaie, dem grössten Seeuferfeuchtgebiet der Schweiz.
- Ausruhen: Eher chic – das Château de la Corbière etwas ausserhalb. Auch schön – My Lady’s Manor, Bed and Breakfast, vor allem im Sommer.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 25.10.13