Wochenendlich in Giuncarico

Von der Grösse her ist das toskanische Giuncarico ein Kaff. Aber was für eines!

Die Toskana ist mehr als Florenz, Siena oder Pisa – Giuncarico zum Beispiel. (Bild: Michèle Faller)

Von der Grösse her ist das toskanische Giuncarico ein Kaff. Aber was für eines!

Nichts gegen Florenz, Siena und Pisa. Doch genauso schöne Ansichten, hoch­karätige Architektur und kulinarische Höhenflüge gibt es in Giuncarico – auf engstem Raum. Wer Erholung von überfüllten Stränden und Museen braucht, dem wird das kleine Dorf im Hinterland der Maremma in der Südtoskana bestens gefallen. Dorthin kommt man am besten via den Provinzhauptort Grosseto, mit dem Bus.

Das wunderhübsche mittelalterliche Dorf auf dem Hügel mit den lauschigen Gassen und den Feigenbäumen am Wegesrand hat alles zu bieten – auch eine ganz besondere Bademöglichkeit. In der «Piscina» planscht es sich wunderbar unter Palmen, im Sommer jeden Mittwoch sogar nachts bei Mondschein und Livemusik. Dabei treten nicht nur lokale Grössen auf; die Musiker werden auch mal spontan aus dem Publikum rekrutiert. Für die Unbelehrbaren, die trotzdem lieber ans Meer möchten, fährt um 7 Uhr ein Bus, der um 20 Uhr wieder zurückkehrt, auch wenn die Station nicht unbedingt so aussieht, als würde sie regelmässig bedient.

Wahrscheinlich käme man ohnehin auch ohne ÖV aus, da man bald jemanden kennenlernt, der einen die gut 20 Kilometer nach Castiglione della Pescaia mitnimmt, an die schöne Strandpromenade. In Giuncarico reicht nämlich ein kurzer Rundgang für den ersten Schritt einer erfolgreichen Integration ins Dorfleben. Im «Circolo» kann man die halbe Dorfbevölkerung kennenlernen. Charme, Witz und spannende Lebensgeschichten gibts zum morgendlichen Cappuccino automatisch dazu. In der zweiten Bar bei Cinzia trifft man die andere, eher jüngere Hälfte. Und falls einem irgendein Einwohner auch dort noch verborgen geblieben ist, dann trifft man den garantiert spätestens in der «Bottega», dem Laden von Graziella. Daneben gibt es auch viel Ruhe. Und noch mehr Entspannung – im Park. Von Olivenbäumen umgeben und mit Piniennadelduft in der Nase, lässt sich herrlich den Grillen lauschen und auf die Ebene blicken.

Abgesehen von all den etruskischen Hohlwegen und Nekropolen, die in der Gegend zuhauf am Wegesrand liegen, ist das architektonische Highlight das 2006 von Stararchitekt Renzo Piano gebaute Weingut «Rocca di Frassinello» mit seinem beeindruckenden Weinkeller, der auch als Konzertsaal dient.

Abends ist in Giuncarico vor allem am ersten Septemberwochenende viel los, wenn während vier Tagen des Schutz­patrons Sant’Egidio gedacht wird. Mitsamt Schwank auf der Piazza del Popolo. Ansonsten empfiehlt sich das dortige Restaurant, das bodenständige maremmische Küche von der feinsten Art anbietet. Das Wildschwein, «Cinghiale alla cacciatora» – einfach wunderbar!
Für den Absacker gehts dann wieder zu Cinzia oder ins «Circolo» – oder zu beiden.

  • Anschauen: Das Weingut «Rocca di Frassinello» bei Gavorrano ist ein Genuss in jeder Hinsicht – vom Wein her, wie von der Architektur und der Natur.
  • Ausspannen: Parco pubblico und rund um die Chiesa della santissima croce.
  • Ausgehen: «Cinzias Bar», «Circolo», ­beide an der Via Roma.
  • Ausschlafen: Annas Bed and Breakfast. Nettes Häuschen an der Via Sotto Montaccio 1.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.10.12

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