Wochenendlich in London

Wer wirklich etwas von London sehen will, muss sich bei den Museumsbesuchen zurückhalten.

(Bild: Peter Sennhauser)

Wer wirklich etwas von London sehen will, muss sich bei den Museumsbesuchen zurückhalten.

Es gibt für den London-Besucher zwei Probleme: die permanente Todes­gefahr an den Fussgängerstreifen durch den Linksverkehr. Und die Frage: Wo ­an­fangen? Für Kunstinteressierte ist die Antwort schnell gefunden: Mit der Tate Modern! Nicht nur wegen der einzigartigen Sammlung moderner Kunst, sondern weil das alte Kohlekraftwerk aus der Mitte des letzten Jahrhunderts in seiner erschlagenden Grösse (und Hässlichkeit) von den Baslern Herzog & de Meuron zum ­Museums-Erlebnisbau der Extraklasse ­gestaltet worden ist. Allein der Turbinensaal als Eingangshalle, 35 Meter hoch und 150 Meter lang, steht der sakralen Wirkung der St Paul’s Cathedral auf dem gegenüberliegenden Themse-Ufer kaum nach.

Von ihr aus – der Kathedrale – findet man am besten zur Tate, wenn man über die Fussgänger-Millennium-Bridge geht. In der Tate sollte man sich neben der Hauptsammlung jetzt die Lichtenstein-Retro­spektive (bis Ende Mai 2013) zu Gemüte führen. Die vier Pfund für die Miete des Audio-Führers waren die beste Investition des Trips: Er machte den Rundgang zu ­einem multimedialen Spektakel voller Aha-Erlebnisse.

Museale Stadtteile

Allerdings sollte man die Museumsgänge im reich bestückten London dosieren: Unser an die Tate anschliessender Besuch in der National Portrait Gallery im Westend, wo (bis Ende Mai 2013) eine Sammlung des Fotografen Man Ray zu sehen ist, erwies sich als Overkill. Wir haben danach nicht nur weiteren Museen, sondern selbst der Westminster Cathedral (18 Pfund Eintritt pro Person …) einen lockeren ­Spaziergang vorgezogen. Schliesslich sind die diversen Stadtteile Londons selbst ein urbanes Erlebnis von musealer Qualität, und man kann sich von der Tube mit dem Off-Peak-Tagespass (ab 9.30 Uhr) schnell überall hinruckeln lassen. Wenn schon Klischee, dann aber Notting Hill statt ­Buckingham (wos ausser Touristen nichts zu sehen gibt): Im malerischen Häuslein-Stadtteil erlebten wir auf dem weltberühmten Portobello Road Market einen grandiosen Gegensatz zur (durchaus spaziergang­würdigen) Trabantenstadt «More London» an der Tower Bridge, wo wir im ­hypermodernen Hilton untergekommen waren – obwohl wir uns weder mit Schallplatten (viele Läden!) noch mit antiken Möbeln eindecken konnten.

Wir hatten zwar welche, aber auch wenn man keine Tickets zu einer der Shows im Westend ergattern konnte, sollte man sich dort einen Abend gönnen: Die Atmosphäre im Ausgehtrubel zwischen den Theatergassen ist unvergleichlich, und zwar sieben Tage die Woche. Wir haben «Singing in the Rain» gesehen und waren zufrieden – auch wenn wir eines der nur kurzzeitig gespielten Stücke mit britischen Schauspielgiganten wie Judi Dench, Rowan Atkinson oder James McAvoy vor­gezogen hätten. Aber wer für sowas Tickets will, muss lange im Voraus planen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.05.13

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