Einige Tipps, wie man trotz Festivaltrubel die Idylle an der Waadtländer Riviera geniessen kann.
Montreux wird dieser Tage aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Das Städtchen lockt mit seinem traditionellen Jazz-Festival Musikfans und -stars an den Lac Léman. Nicht nur die Tickets für Konzerte im Auditorium Stravinski, sondern auch die Hotels haben dabei ihren Preis, was Besucher oft davon abhält, hier länger als eine Nacht zu bleiben. Ein Fehler.
Freddie und Vladimir
Denn Montreux steht zwar wie die gesamte Waadtländer Riviera für Noblesse: Zwischen unschöner Architektur aus den 1970er-Jahren erfreuen das Auge prächtige Bauten aus der Belle Epoque – allen voran das pompöse Palace Hotel und das Suisse Majestic. Doch kann man Montreux auch preisgünstig geniessen: In Villeneuve etwa steht ein Campingplatz. Und statt wie die Scheichs den Tag mit Shopping zu verbringen, empfehlen wir eine Fahrt mit der alten Zahnradbahn zu den Rochers-de-Naye. Ein Abenteuer. In den Hügeln über der Stadt kann man wunderbar wandern und wird dabei mit einer sensationellen Aussicht auf schneebedeckte Gipfel und den glitzernden Genfersee belohnt. Da versteht man, warum der russische Schriftsteller Vladimir Nabokov («Lolita») in Montreux ein Hotelzimmer bezog und jahrelang blieb, Schmetterlinge fing und Bücher schrieb.
Dem Festivaltrubel und der Masse rund um das Kongresszentrum kann man aber auch entfliehen, ohne ein Bahnticket zu lösen. Man lässt die Gastro- und Marktstände hinter sich und flaniert der Seepromenade entlang – vorbei an Statuen, die nebst Nabokov an weitere ruhmreiche Gäste erinnern, etwa an den Jazztrompeter Miles Davis. Oder an den Sänger Freddie Mercury, der in Montreux seine letzten Lebensjahre verbrachte. Touristen posieren gerne vor seiner Statue bei der Markthalle. Und Fans suchen oft vergeblich seine Loggia; ein kleines, schmuckes Chalet, welches das Cover des Queen-Albums «Made in Heaven» ziert. Das Häuschen liegt versteckt in einer kleinen Bucht von Clarens und ist nur vom Schiff aus zu erspähen. Hier drin hat Mercury einige seiner letzten Songs geschrieben, ehe er im November 1991 an den Folgen seiner Aids-Erkrankung starb. Man kann sich gut vorstellen, dass er geschwächt nach draussen blickte und Trost fand, Kraft auch, was ihn dazu bewog, am Ende seines Lebens dieses Lied hier zu schreiben.
Zappa, Purple, Emil und Byron
Weltberühmt ist auch das Casino von Montreux. Allerdings nicht der hässliche Neubau, sondern der Vorläufer, wo früher Konzerte stattfanden wie jenes von Frank Zappa, bei dem ein Feuer ausbrach, was wiederum Deep Purple, im Publikum anwesend, zum Heuler «Smoke on the Water» inspirierte. Heute ist das Casino keinen Besuch mehr wert. Stattdessen empfiehlt es sich, dem Quai entlang zu schlendern, vorbei an schönen Gärten, Palmen und alten Hotels im viktorianischen Stil, immer weiter, bis man den Ortsteil Territet hinter sich lässt (wo Emil Steinberger seinen Lebensabend geniesst).
Nach einer Stunde Müssiggang, voller Idylle und Ruhe, stehen wir vor dem vielleicht schönsten Schloss der Schweiz: dem Château de Chillon. Dieses hat vor 200 Jahren schon den britischen Dichter Lord Byron fasziniert und inspiriert. Jener Lord Byron, der einst sagte: «Ich erwachte eines Morgens und fand mich berühmt.» Ruhm bringen schon genügend andere Leute hierher. Uns reicht der Sonnenuntergang über dem Lac Léman und der Blick auf die Berge, um ein grosses Glücksgefühl zu empfinden. Und das gibt es erst noch gratis, im mondänen Montreux.
- Anschauen: Château de Chillon. Und die schönen alten Häuser aus der Belle Epoque.
- Ausspannen: Herrlich, die Aussicht von den Hügeln über Montreux auf den Lac Léman. Wunderbar auch der Sonnenuntergang am See.
Einsamkeit findet man im Park zwischen Chillon und Villeneuve. - Ausgehen: Das Montreux Jazz Café lockt mit freiem Eintritt und einigen hippen Acts: Django Django und Four Tet (GB) oder Poliça (USA).
- Ausschlafen: Zentral und für Montreux-Verhältnisse dennoch erschwinglich ist das Hotel Splendid an der Grand Rue, nur drei Minuten vom Bahnhof entfernt. Mein Tipp: Zimmer 58, im vierten Stockwerk, mit Balkon zum See. Gewöhnungsbedürftig ist einzig die Toilette im Zimmer, ansonsten aber ist das Zimmer frisch renoviert und sehr angenehm. Ein Plus dieses Hotels ist nicht nur die Lage (Zur Schiffanlegestelle: 30 Sekunden, zum Festival 5 Minuten), sondern auch die Tatsache, dass man hier Gratis-Wi-Fi im Hotel hat, was in Montreux leider nicht selbstverständlich ist.
Leute, für die Geld keine Rolle spielt, sollten sich ein Zimmer im Montreux Palace gönnen, das ebenfalls an der Grand Rue gelegen ist – und jahrelang Vladimir Nabokov beherbergte. Sein Zimmer ist heute noch mit seinem alten Sekretär eingerichtet.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.06.12