Eigentlich ist Venedig im Hochsommer eine Zumutung: Zu heiss, zu voll. Dennoch lohnt sich der Besuch der italienischen Lagunenstadt: Denn die 55. Biennale lädt zur Werkschau zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler aus der ganzen Welt.
Nach dem Gang durch die langen Hallen des Arsenale, vorbei an auserwählten Werkgruppen und spektakulären Installationen zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler, kommt es einem kleinen Schock gleich, wenn man in das gleissende Sonnenlicht hinaustritt. Es dauert eine Zeit, bis sich die Augen an die Helligkeit gewöhnt haben und man hinter dem weiten Wasserbecken der ehemaligen Schiffswerften die typische Silhouette der Stadt mit ihren Palazzi, Kirchtürmen und Brücken wahrzunehmen fähig wird.
Es sind vor allem diese Kontraste, die den Reiz der Reise ausmachen. Venedig im Hochsommer ist eigentlich eine Zumutung; es ist drückend heiss, was besonders unangenehm ins Gewicht fällt, wenn man sich durch Massen von schlecht gekleideten und schwitzenden Touristen zwängen muss, die vor Schaufenstern voller Nippesfiguren aus Glas, kitschigen Plastik-Masken oder sündhaft teuren Accessoires der einschlägigen Luxuslabels stehenbleiben und einem den Weg versperren.
Die olympischen Spiele der Kunst
Und doch lohnt es sich, gerade jetzt die einzigartige Lagunenstadt zu besuchen. Mit jetzt ist die Zeit zwischen Juni und November gemeint, allerdings nur in ungeraden Jahren, wenn die traditionelle «Esposizione Internationale d’Arte» – kurz: die Biennale – auf dem Programm steht. Dann sollte man die ausgeschilderten Verbindungswege zwischen den Hauptsehenswürdigkeiten links oder rechts liegen lassen und sich durch weniger oder gar nicht bevölkerte Nebengassen ans östliche Ende der Stadt treiben lassen. Dort gelangt man zum Arsenale und zu den Giardini di Biennale, wo die Menschen besser gekleidet sind, wo sie nicht in Massen auftreten und es weit weniger abgeschmackte Sachen zu sehen gibt.
Nun gut: Etwas seltsam ist sie schon, die biennale Leistungsschau der zeitgenössischen Kunst. In den fixen Länderpavillons, die sich in den Giardini sowie über die ganze Stadt verteilt in temporären Einrichtungen finden, buhlen von Andorra bis Zimbabwe die Staaten dieser Welt mit Spektakelkunst um die Aufmerksamkeit des Publikums. Nicht alles ist bedeutend, was man zu sehen bekommt. Aber spektakulär. Und oft recht witzig. Dies gilt auch für die kuratierte Hauptausstellung. Der Ausstellungsmacher Massimiliano Gioni hat für seinen «Palazzo Enciclopedico» ein ebenso überraschendes wie unterhaltsames Panoptikum künstlerischer Weltsichten zusammengestellt. Dabei treffen Werke von Outsidern auf solche von Starkünstlern und Neuentdeckungen auf esoterisch angehauchte Arbeiten.
Zu einzigartig, um wahr zu sein
Das Ganze erscheint so unwirklich wie die Welt ausserhalb der Ausstellungshallen. Venedig ist so einzigartig, dass es eigentlich nicht Realität sein kann. Das ist auch so, wenn man die Hauptsehenswürdigkeiten für einmal meidet. Aber was heisst hier schon meiden: Venedig – das spürt man auch weitab vom Markusplatz und von der Rialto-Brücke – ist ja an und für sich eine der Sehenswürdigkeiten dieser Welt.
- Anschauen: Die Kunst-Biennale 2013 – sie läuft noch bis 24.11. (Montag geschlossen).
- Anbeissen: Im Boccadoro (Campiello Widmann, +39 41 521 10 21) – raffiniert zubereitete venezianische Gerichte an einem romantischen kleinen Platz. Nicht weit von den grossen Touristenströmen – und doch angenehm davon entfernt.
- Ausspannen: Im Hotel Palazzo Vitturi: Für venezianische Verhältnisse angenehm grosse Zimmer mit Deckenmalereien. Ideal gelegen am Campo Santa Maria Formosa (+39 41 241 08 56).