Im Wallis hat ein Wolf in der Augstbordregion trotz Herdenschutzmassnahmen ein Schaf gerissen. Nun prüft der Kanton, ob die Kriterien für einen Abschuss erfüllt sind. Der WWF hat mittlerweile entschieden, den Abschuss des Wolfes im Val d’Anniviers nicht anzufechten.
Peter Scheibler, Chef der Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere, bestätigte einen Bericht des «Walliser Boten» vom Donnerstag, wonach der Wildhüter Mitte Woche einen Schafriss durch einen Wolf von der Moosalp in der Augstbordregion gemeldet hat. Dort werden seit einer Woche rund 400 Schafe von 20 Züchtern abends in eine fussballfeldgrosse Nachtkoppel getrieben.
So sollte die Serie von 25 Schafrissen seit Sömmerungsbeginn gestoppt werden. Die elektrifizierte Weidekoppel und die zwei direkt neben der Koppel zeltenden Hirten mit Schutzhunden hielten den Wolf laut dem Zeitungsbericht aber nur gerade eine Woche davon ab, die Herde wieder anzugreifen.
Dabei geriet die Schafherde in Panik und trampelte Teile der Koppel nieder, um dem Angreifer zu entfliehen. Die beiden Hirten hätten die grosse Unruhe der Herde zwar wahrgenommen, den Wolf wegen dichten Nebels jedoch nicht gesehen.
Beim einzigen Schaf, das der Wolf offenbar erwischt hat, handelt es sich laut Alpchef Rolf Kalbermatten bereits um das 26. gerissene Schaf seit Sömmerungsbeginn. Damit sind in den Augen der Schafzüchter die Kriterien für den Wolfabschuss gemäss der geltenden Jagdverordnung erfüllt. Diese besagt, dass eine Abschussbewilligung erteilt werden kann, wenn ein Wolf mindestens 25 Schafe innerhalb eines Monats oder 35 Schafe innerhalb von vier Monaten gerissen hat.
Scheibler bestätigte am Donnerstag auf Anfrage, dass die Rechtsabteilung seiner Dienststelle momentan prüfe, ob die Kriterien in diesem Fall erfüllt seien. Was dabei herauskommen werde, könne er nicht voraussagen.
Mitte August hatte Staatsrat Jacques Melly den Abschuss eines Wolfes angeordnet, der im Vallon de Rechy und im Val d’Anniviers zwischen dem 19. Juni und dem 8. August 38 Schafe gerissen hatte. Seither hat dieser Wolf noch ein weiteres Schaf gerissen, den Wildhütern konnte das Grossraubtier bisher allerdings entkommen. Die Abschussbewilligung läuft laut Scheibler 60 Tage.
WWF verzichtet auf Beschwerde
Der WWF Oberwallis teilte gleichentags mit, dass er nach vertieften Abklärungen entschieden habe, keine Beschwerde gegen diese Abschussverfügung einzureichen. Der Entscheid des Kantons sei rechtlich auf einer klaren Basis. Da in diesen Tälern in den Vorjahren keine Risse vorgekommen seien, hätten keine prioritären Herdenschutzmassnahmen getroffen werden müssen.
Grundsätzlich bedauert der WWF Oberwallis den möglichen Abschuss aber sehr. Für ihn sei klar, dass im nächsten Alpsommer auch im Vallon de Rechy und im Val d’Anniviers Herdenschutzmassnahmen umgesetzt werden müssten. Dann werde der Fall klar sein: Wenn der Herdenschutz ungenügend sei, und es deshalb zu Schäden komme, werde dies keine Begründung für einen Abschuss des Wolfes darstellen.