Er ist der Meister der fotografischen Erzählung. Wenn er einen Kampf in Bilder zerlegt, entsteht daraus eine – Liebesgeschichte! Nicht wie die Liebe endet, sondern wie sie im Kampf beginnt, schildert Wong Kar Wai in seinem neuesten Film, mit dem er die Berlinale eröffnete.
Wong Kar Wai ist ein Romantiker. Er malt seine Geschichten immer mit verdichteter Melancholie in unsere Köpfe. In «The Grandmaster» zeigt er uns – mit Mitteln des Kampfes – ein fotografisches Gedicht über die Unmöglichkeit der Liebe. Präzise, formvollendet und ganz an der spirituellen Seite des Kampfes orientiert. Jeder Tritt wird in diesen Choreografien zum ausgeklügelten Ton, jeder Schlag zum Klang, Hiebe formen ein Staccato – und alles bildet eine Melodie, zu der die Kämpfer tanzen.
Immer wieder zeigt Wong Kar Wai den Boden, auf dem seine Figuren, als Sieger, stehen, oder, als Verlierer, landen. «Zwei Dinge prägen das Kung Fu», lässt er seinen Grossmeister sagen: «Die Horizontale und die Vertikale.» Dabei liegt die Horizontale bei Wong ganz unterschiedlich unten. Mal brennt der Boden, mal ist er überflutet, mal besteht er aus Kopfsteinen, mal als Bretterbohlen, je nach geschichtlicher Epoche. Immer wieder sucht Wong bei seinen Kampfchoreografien auch die abhebenden Füsse, den Beginn der Vertikale, aber auch die aufprallenden Köpfe am Erdboden, das Ende der Vertikalen.
Nicht nur eine Liebesgeschichte – nicht nur ein Kampf
Wong Kar Wai erzählt aber weit mehr als nur die Liebesgeschichte von IP Man, der Kung Fu Legende, und Gong. Er leuchtet vor den Kulissen der chinesischen Geschichte die Entwicklung in seiner Heimat aus. Lange vor der japanischen Invasion in China, lässt er im prallen Regen, die Geschichte beginnen, und spannt den Bogen dann bis nach der chinesischen Revolution. Und sie endet mit dem Auftauchen eines begnadeten Schülers auf Hongkongs Pflaster: Bruce Lee.
Zhang Zi-Yi, die als Hauptdarstellerin in Ang Lees «Crouching Tiger. Hidden Dragon» bereits durch ihr stupendes Spiel auffiel, ist auch hier wieder unwiderstehlich. Als Gong gehört sie zu einem phantastischen Cast, den Wai in «The Grandmaster» um sich sammelt, mit lauter alten Bekannten. So ist auch Song Hye-Kyo, die schon in «2046» mitwirkte, wieder dabei.
Zum Ende ist – obwohl mehrheitlich gekämpft wird – kaum Blutgeflossen, und wenn, erfahren wir das meist in stilisierter Form. Wong Kar Wai kommt mit dieser Ästhetik den Geheimnissen des Kampfes wesentlich näher als manch ein blutrünstigerer Film. Er lädt uns zu einer Meditation über die sprirituellen Geheimnissen ein, die die Horizontale von der Vertikalen trennt – auch in der Liebe.
«The Grandmaster» läuft ab dem 11. Juli in Basel in den Kinos Eldorado 1 und Atelier 3 (mehr dazu und weitere Filme in unserem Kinoprogramm).