«X-Men» – Alle Jahre wieder …

Wer in der Frauenwelt möchte Hugh Jackman nicht fünfzig Jahre jünger sehen? Die X-Men können solche Wünsche erfüllen. Sie können überhaupt gut geradebiegen, wenn in der Vergangenheit etwas krumm lief. Viel Körpergymnastik mit wenig Hirnturnen. Endlich darf frau sehen, wie Hugh Jackman aussehen würde, würde er sich liften lassen. Wie vor fünfzig Jahren! Endlich kann […]

Wer in der Frauenwelt möchte Hugh Jackman nicht fünfzig Jahre jünger sehen? Die X-Men können solche Wünsche erfüllen. Sie können überhaupt gut geradebiegen, wenn in der Vergangenheit etwas krumm lief. Viel Körpergymnastik mit wenig Hirnturnen.

Endlich darf frau sehen, wie Hugh Jackman aussehen würde, würde er sich liften lassen. Wie vor fünfzig Jahren! Endlich kann er sich selber mit der Frisur als junger Mann die Hand schütteln. Die X-Men können nicht nur solche Wünsche erfüllen: Sie müssen. Es gibt da in der Vergangenheit etwas geradezubiegen. Was?

Kurz vor seiner geistigen Umnachtung stellte Friedrich Nietzsche an sich Übermenschliche Züge fest. Er ahnte damals – er hatte bereits zehn Jahre Professur in Basel hinter sich – nicht, dass er einst ein «X-Men» sein könnte – und in Gefahr. Fortschritt war schon immer ein hartes Geschäft. Nietzsche bestand weiter auf der Existenz einer Rasse, die sich für etwas Besseres hält – mit einer radikalen Lebensbejahung. Das war 1888.  Und hat mit «X-Men» fast nichts zu tun.

Die Comic-Märchen sind an Phantasie kaum zu überbieten 

In den Kriegsjahren geriet dann das «Übermenschen»-Business in Europa etwas ins Zwielicht, und wurde schliesslich besiegt. Doch bereits 1941 brachte der Amerikaner Jack Kirby, der König der Comic-Zeichner, neuen Wind ins «Übermenschen»-Geschäft und eine Reihe von Übermenschen aufs Papier: «Captian America», «Iron Man», «Hulk» und «X-Men» waren bald bekannter als Nietzsches «Ecce Homo», wo noch geschrieben stand: «Übermensch» dient zur Bezeichnung eines Typus höchster Wohlgeratenheit». Das hat dann mit «X-Men» schon mehr zu tun.

Seit dem Jahr 1993 Jahren stehen uns nun aus den Marvel-Studios fast jedes Jahr ein Übermenschen-Film bevor, der die Märchenstoffe der Comics auf die Leinwand übersetzt: Nach – u.a. –  „X-Men», «The Last Stand» (2006) «Origins: Wolverine“ (2009), «Erste Entscheidung» (2011) «Wolverine: Weg des Kriegers» (2013) hoffte viele schon, jetzt sei Schluss damit.

Das «Übermenschen»-Business wirft Gewinn ab

Die hatten wir nicht mit Hugh Jakmans Produzentenriecher gerechnet: «X-Men» bringt durchschnittlich an der Kasse 250 Millionen ein. («The Last Stand» 234 Mio, «The Wolverine» 414 Mio). Ein Kinojahr ohne X-Men wäre fast wie eine CS-GV ohne Dividendenausschüttung. Die Macher betrachten das «Übermenschen»-Geschäft längst als Cash-Cow im Cash-Flow.

So wie es aussieht, kann mit «Days of Future Past» die Kasse denn auch wieder klingeln. Hübsche 3D-Effekte. Brillantes Serien-Niveau. Gepflegtes Schauspiel. Wiederum erwartet uns die bewährte Crew (Bruce Davison, Patrick Stewart und Ian McKellen, Hugh Jackman). Sie trifft auf einen neuen, jungen Cast (Jennifer Lawrence, Evan Peters).

Der Regisseur Singer («Superman Returns», «Operation Walküre») bietet nicht nur einiges an renommiertem Personal auf, er setzt auch auf die bewährte Mischung von Spektaktel, Ironie und Spannung. Den Werbetross von «Days of Future Past» begleitet er allerdings nicht durch die Kinos der Welt: Er hätte wohl gerne auch die Fähigkeiten eines «X-Men»: Um den Vorwurf einer Minderjährigen zu entkräften, die er mit fünfzehn (er selber war 17) missbraucht haben soll, muss er demnächst wohl auch vor Gericht ein paar Dinge in der Vergangenheit geradebiegen.


Endlich wird die jüngste US-GEschicht umgeschreiben

Geradebiegen ist schliesslich das Kerngeschäft der «X-Men». Nach der Niederlage im Vietnam-Krieg, und fast allem, was die USA danach an Kriegen geführt hat, lief einfach zu vieles krumm. Der Bedarf an Geradebiegern in den USA ist gross. Also beschliessen die «X-Men», ihre Fähigkeit zu nutzen:

Sie schicken Hugh Jackman in die Vergangenheit. Der soll dort, was wir Menschen nie können werden, selbst wenn wir in die Vergangenheit reisen könnten: unsere Gegenwart neu ausrichten. Das ist nicht einfach. Auch wenn man übermenschliche Kräfte hat. Immerhin muss er ja letztlich alle Niederlagen der US-Army seit Nixon in Siege umdeuten – sechzig Jahre Geschichte: unmöglich.

Dennoch macht der Film fast alles richtig, was an der Kasse zählt und wofür der Kunde zahlt: Er unterhält, spannt auf die Folter, verwöhnt mit visuellen Effekten und hat sogar ein kleines Computeranimiertes Filmschnitt-Juwel: wenn Evan Peters als «Quicksilver» in den Pentagon einbricht, tut er das so schnell und raffiniert geschnitten, dass man fast schon in einem 4D-Film sitzt. Ein fetziges Stück Film im Film – als Musik-Clip. Darauf darf man sich freuen. Auf viel mehr nicht.  

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