Granit Xhaka ist bei Arsenal voll angekommen. Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda Sport redet er über das Charisma seines neuen Trainers und die globale Ausrichtung des Londoner Klubs.
Die erste Begegnung mit Arsène Wenger, der direkte Austausch mit einer herausragenden Figur der Premier-League-Geschichte, wie fühlte sich das an?
«Aufregung pur! Ich war wirklich sehr nervös. Er hat eine unglaubliche Art, ein unfassbares Charisma. Man schaut ihn an, und weiss: ‚Wow, der Mann hat schon so viel erreicht und erlebt‘. Der Respekt vor ihm ist enorm.»
Wie verläuft die Kommunikation?
«Er ist kein Trainer, der täglich mit einem redet. Wenger unterhielt sich mit mir zwei- oder dreimal. Er sagte mir, er sei sehr angetan davon, wie ich trainiere, wie ich mich charakterlich verhalte, wie diszipliniert ich sei.»
In London sind Sie Teil einer Weltauswahl. Haben Sie die Garderobe beim ersten Termin angespannter als auch schon betreten? Spürten Sie, eine nächste Stufe erklommen zu haben?
«Ich muss zugeben, in den ersten paar Tagen war eine gewisse Nervosität nicht zu leugnen. Man merkt dann eben schon beim Passspiel, dass einem Weltklassespieler gegenüber stehen. Ein Özil beispielsweise, ein Sanchez, ein Cazorla sind riesige Persönlichkeiten.»
Zu ihnen schaut auch ein selbstbewusster Mann wie Xhaka auf?
«Auf jeden Fall, auch wenn der Klub für mich vielleicht mehr Geld ausgegeben hat. Von ihnen kann ich extrem viel lernen – in jeder Beziehung. Ihre Arbeitsmoral, ihr Ehrgeiz sind beeindruckend.»
Die interne Konkurrenz ist beträchtlich.
«Man kann sich keinerlei Auszeiten erlauben, sonst droht sofort die Ersatzbank. Jede Einheit, jeden Sprint, jede Bewegung muss man mit voller Kraft machen, Dosieren ist weniger angesagt.»
Entdecken Sie in London nochmals eine neue Reichweite oder andere Komponenten des Fussballs?
«Alles spielt sich in einer noch höheren Kategorie ab als zuvor in Mönchengladbach oder beim FC Basel. Die weltweite Wahrnehmung der Gunners wurde mir während unserer USA-Tour immer wieder bewusst. Überall warteten massenhaft Fans, da wird die unheimliche Grösse des Klubs greifbar.»
Arsenal ist Luxus.
«Arsenal bietet den Spielern ganz einfach das Optimum. Man achtet auf jedes Detail. Wir können uns während den Flügen optimal erholen, das Essen, die Betreuung, alles ist perfekt abgestimmt.»
Gibt es Programmpunkte, die Sie überrascht haben, die Sie so nicht kannten?
«Jeden Montag werden wir zu Sprungtests aufgeboten, um den Zustand der Muskulatur zu überprüfen. Es gibt nichts zu verbergen. Einmal pro Woche gehört die Abgabe von Urinproben zum Programm, der Körperfettanteil wird regelmässig kontrolliert. Die Mediziner haben alle relevanten Punkte im Auge.»
Sie werden inzwischen auch von der Öffentlichkeit viel genauer beobachtet? Ihre Auftritte finden rund um den Globus Beachtung. Sind Sie sich bewusst, künftig mehr denn je im Mittelpunkt zu stehen?
«Schon in Mönchengladbach war ich ziemlich exponiert. Ich brauche meinen Lebensstil in London nicht komplett zu verändern. Ich besuche weiterhin die Restaurants, die mir gefallen. Es gibt ja keinen Grund, mich abzuschotten, weil ich jetzt das Leibchen von Arsenal trage. Für mich ist der grössere Hype das geringste Problem. Ich war nie eine Skandalnudel – und das wird so bleiben.»
Auf dem Rasen steigt Ihr Einfluss. Im Nationalteam vertrauen Ihnen die Nebenleute. Sind Sie bei Arsenal bereits auf einem ähnlichen Weg?
«Auch in England wissen sie, was in der Bundesliga passiert. Ich denke, die Mitspieler wussten, wer da gekommen ist. Sie dürften davon ausgegangen sein, wenn einer 45 Millionen gekostet hat, besitzt er zwei, drei Qualitäten.»
Nach dem Auftakt mit zwei Spielen ohne Sieg kam bereits etwas Nervosität auf. Die Marge ist dünn, wenn die Performance nicht stimmt.
«Mir war schon vor meiner Ankunft klar, dass der Druck bei einem Klub, der in einer grossen Liga um den Titel spielen will, schnell einmal anschwellen kann. Aber die Saison ist noch lang, wir werden von Spiel zu Spiel stärker. »
Sie selber werden im Nationalteam auch von Saison zu Saison dominanter. In der SFV-Auswahl sind Sie mittlerweile an die Spitze der Schlüsselfiguren vorgerückt. Sieht man in der WM-Ausscheidung einen noch besseren Xhaka als an der EM-Endrunde?
«Ich hoffe es natürlich, auch wenn ich irgendwann mal eine ruhige Minute benötige, um alles einzuordnen, was am Ende in Frankreich passiert ist. Es war meine beste Periode als Spieler der Nationalmannschaft. Langfristig ist noch Potenzial vorhanden, ich werde hart arbeiten, um meine Schwächen auszumerzen.»
Was bringen Sie ein? Welche Rolle füllen Sie in der Gruppe mit dem Europameister Portugal aus?
«In Frankreich habe ich aus dem Teamkollegen-Umfeld zum ersten Mal richtig gespürt, dass man mir zutraut, das Spiel zu leiten.»
Was liegt drin gegen den Europameister? Gehen Sie mutig vorweg?
«Wir wollen uns mit den Besten messen. Für solche Highlights trainiert doch jeder von uns, die Fans wollen solche Spiele sehen. Wir werden an der Aufgabe wachsen und weiter zulegen. Bei uns gibt es ein paar Prozente zu verbessern, dann denke ich, spielen wir eine noch bessere Qualifikations-Kampagne als zuletzt.»
Ein paar Prozent Energie dürfte womöglich auch die wieder aufgeflammte Kosovo-Debatte kosten.
«Ich habe es satt, mich immer und immer wieder rechtfertigen zu müssen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wer alles Druck auf einen ausübt. Mein Brief auf Instagram (Xhaka veröffentlichte ein Schreiben in albanischer Sprache) sollte aufzeigen, weshalb ich mich für die Zukunft mit der Schweiz entschieden habe. Wenn wegen einer mangelhaften Übersetzung dann Schlagzeilen produziert werden, bedaure ich das sehr. Mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen.»