Yannick Noah ist zurück – in der Schweiz und auf dem Stuhl des französischen Fedcup-Captains. Die Ikone soll Frankreich wieder einmal eine Tennis-Sternstunde schenken.
Bei Yannick Noahs letztem offiziellen Besuch in der Schweiz gab es «eine schöne Ohrfeige», wie er sich erinnert. Im Halbfinal des Fedcup 1998 gewann das von Martina Hingis und Patty Schnyder angeführte Schweizer Team auf einem Sandplatz auf dem Parkplatz des Sittener Stade de Tourbillon gegen Frankreich 5:0. Es liegt in der Natur des Lebemanns, dass er sich dennoch gerne an die Woche im Wallis zurückerinnert.
«Ich ging mit meiner Tochter Yelena zum Bungee-Jumping», erzählt der mittlerweile 56-jährige Noah. «Es war das Debüt von Amélie Mauresmo.» Und, fügt Noah lachend hinzu: «Die Hälfte des Schweizer Teams hat am Sonntagabend lieber mit uns gefeiert als unter sich.» Auch das passt zur Aura des in Frankreich geborenen, aber in Kamerun aufgewachsenen Manns, dessen Rasta-Locken einer Kraushaar-Frisur gewichen sind.
Die Wut des Yannick Noah
In seiner Heimat wurde er mehrere Male zum beliebtesten Franzosen gewählt, auch wenn das Image wegen eines Verfahrens wegen Steuerhinterziehung etwas gelitten hat. Für die Älteren ist Noah der letzte Franzose, der in Roland Garros 1983 ein Grand-Slam-Turnier gewann. Für die «Grande Nation» eine unerträglich lange Wartezeit.
Für die Jüngeren ist er der Showman, der als Sänger mit «Saga Africa» und anderen Hits Stadien mit bis zu 80’000 Fans füllt. Noah ist mit verschiedenen Stiftungen Wohltäter für Benachteiligte, vor allem Kinder. So findet fast jeder etwas in dem Immigranten, dessen kamerunischer Vater 1961 mit Sedan französischer Fussball-Cupsieger wurde und dessen französische Mutter Captain der Basketball-Nationalmannschaft war. Ausser vielleicht der politischen Rechten. Im 2014 veröffentlichen Chanson «La Colère» (Die Wut) singt er: «Meine Wut ist keine Front, sie ist nicht national.» Ein klarer Angriff gegen Marine Le Pens Partei «Front national».
Noah ist ein Rebell, der sich nicht davor fürchtet, unbequeme Standpunkte zu vertreten. So plädierte er einst dafür, Doping freizugeben, weil es fast unmöglich sei, ohne zu gewinnen. Und er verteidigt die Teamwettbewerbe im Tennis vehement. Die Tatsache, dass in der 1. Runde des Davis Cup letzte Woche nur ein Top-Ten-Spieler (Djokovic) antrat, stösst ihm sauer auf. «Wenn ich die Macht hätte, würde ich die Spieler zwingen zu spielen», macht er klar. «Für dieses Jahr ist es zu spät, aber für nächstes Jahr muss etwas passieren.» Noah schlug zum Beispiel schon vor, Spieler, die nicht für den Davis Cup zur Verfügung stehen, für das nächste Grand-Slam-Turnier zu sperren. «Auch die Stars wie Federer, Wawrinka oder Nadal können nicht die Butter und das Geld (‚de Föifer und s Weggli‘) haben.»
In seinem Team setzt er diese Philosophie konsequent um. Weil Gaël Monfils im letzten September für Frankreichs Halbfinal absagte, bot er die Weltnummer 9 nun auch nicht für die 1. Runde in Japan auf. Frankreich gewann dennoch 4:1. Und für die Erstrunden-Partie in Genf gegen die Schweiz hat Noah nur drei Spielerinnen nominiert. «Ich wollte mit fünf kommen, aber nur drei hatten Lust.» Caroline Garcia und Océane Dodin hatten erklärt, sie wollten sich auf ihre Einzelkarriere konzentrieren. «Ich hatte weder Zeit noch Lust, sie umzustimmen», fügt Noah mit seiner tiefen, ruhigen, aber bestimmte Stimme hinzu.
Mit der Lichtgestalt zum Erfolg zurück
Das sportliche Talent wurde Noah also in die Wiege gelegt. Sein eigener Sohn Joakim, eines von fünf Kindern des zum dritten Mal Verheirateten, ist mittlerweile ebenfalls ein Star in der NBA (New York Knicks). Noahs Ruhm beruht jedoch nicht nur auf seinen sportlichen und künstlerischen Meriten. Er ist die Lichtgestalt des französischen Tennis geblieben. 1991 und 1996 gewann er als Captain den Davis Cup, der ihm als Spieler verwehrt blieb. 1997, im Jahr vor der Halbfinal-Niederlage in der Schweiz, führte er das französische Fedcup-Team zum ersten Triumph überhaupt.
Nach längerem Unterbruch kehrte er vor einem Jahr an die Spitze der Davis-Cup-Mannschaft zurück, nun gibt er in Genf auch sein Comeback im Fedcup, während Vorgängerin Amélie Mauresmo ihr zweites Kind erwartet. «Es ist die pure Freude», erklärt Noah seine Rückkehr, die er nicht selbst gesucht hat. «Die Spielerinnen haben mich angerufen.» Unterstützt wird er von Mary Pierce, der Siegerin des Australian Open 1995 und des French Open 2000. «Es war ein grosses Glück, Amélie als Captain zu haben», führte die französische Nummer 1 Kristina Mladenovic aus. «Und es ist ein Privileg, jetzt mit Yannick und Mary arbeiten zu können.» Und vielleicht müssen sie ja diesmal nicht trotz einer Ohrfeige feiern.