Nach der Schliessung der Balkanroute ist die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge in Deutschland drastisch gesunken. Im März wurden nur noch 20’608 Asylsuchende im sogenannten EASY-System registriert. Im Februar waren es noch gut 60’000 gewesen, im Januar etwa 90’000.
Zu Hoch-Zeiten im vergangenen November hatte die Zahl bei mehr als 200’000 gelegen. Inzwischen kämen deutlich weniger als 200 Flüchtlinge am Tag über die deutsch-österreichische Grenze, sagte Innenminister Thomas de Maizière am Freitag in Berlin.
Eine Prognose für das Gesamtjahr wollte er nicht abgeben. Es müsse abgewartet werden, wie sich Ausweichrouten entwickelten. Im EASY-System werden die Flüchtlinge nach ihrer Einreise nach Deutschland erfasst, um sie anschliessend auf die Bundesländer zu verteilen.
Vor einigen Wochen hatten mehrere Staaten entlang der Balkanroute – dem bis dahin wichtigsten Fluchtweg nach Europa – ihre Grenzen geschlossen. Die Zahl der Schutzsuchenden in Deutschland ging seitdem schlagartig nach unten.
Grosser Rückstau
Trotz des Rückgangs kommt das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht hinterher, die riesige Zahl an Asylverfahren abzuarbeiten. Der Rückstau aus 2015 ist gross. Die Zahl der unerledigten Anträge liegt bei über 400’000.
Wegen der Überlastung des BAMF müssen viele Menschen nach ihrer Ankunft in Deutschland lange warten, bis sie förmlich Asyl beantragen können. Die Zahl der Anträge lag mit fast 60’000 im März deutlich über der Zahl der Neuregistrierungen, weil nun nach und nach Flüchtlinge, die länger im Land sind, einen Antrag stellen.
Die Zahl der Rückführungen von Flüchtlingen in ihre Heimatländer ist de Maizière zufolge stark gestiegen. Sie lag demnach mit 4500 in den ersten beiden Monaten diesen Jahres mehr als doppelt so hoch wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.
Weitere Abschiebungen
Drei Wochen nach dem Pakt der EU mit der Regierung in Ankara wurden derweil erneut Flüchtlinge von Griechenland aus in die Türkei abgeschoben. Zwei Schiffe brachten insgesamt 124 Flüchtlinge von den griechischen Ägäis-Inseln in die westtürkische Hafenstadt Dikili.
Vergeblich protestierten am Freitag einige Aktivisten gegen die «Deportation» der Flüchtlinge. Drei Aktivisten sprangen ins Meer und kletterten auf die Ankerkette eines der Schiffe, um ein Auslaufen zu verhindern, wie Fernsehbilder zeigten. Beamte der Küstenwache schritten ein.
Die Rückführungen im Rahmen des umstrittenen Flüchtlingspakts mit der Türkei hatten am Montag begonnen, waren dann aber bis Freitag unterbrochen worden. Am Montag waren 202 Flüchtlinge vor allem aus Südasien in die Türkei zurückgeschickt worden.
Unterdessen kommen weiterhin Schutzsuchende aus der Türkei nach Griechenland. Innerhalb von 24 Stunden hätten 149 Flüchtlinge auf griechische Ägäis-Inseln übergesetzt, teilte der Krisenstab am Freitag in Athen mit.
Besetzung beendet
Auf der Insel Chios beendete die Polizei zusammen mit den Bürgermeister Manolis Vournous in der Nacht zum Freitag die Besetzung eines Teils des Hafens durch etwa 300 Flüchtlinge. Auf Samos konnte die Polizei rund 250 aus einem Auffanglager geflohene Asylbewerber überreden, wieder zurückzukehren, wie örtliche Medien berichteten.
Schlimm ist die Lage im wilden Lager von Idomeni an der mazedonisch-griechischen Grenze. Dort kommt es immer wieder zu Tumulten zwischen Flüchtlingen. In Piräus versucht die Regierung die Flüchtlinge dazu zu bewegen, in organisierte Lager zu gehen. Diese demonstrieren immer wieder und skandieren «öffnet die Grenzen».
Nach dem Flüchtlingspakt der EU mit Türkei sollen alle Flüchtlinge, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, in die Türkei zurückgeführt werden. Ausgenommen sind nur Asylsuchende, die nachweisen können, dass sie in der Türkei verfolgt werden. Für jeden abgeschobenen syrischen Bürgerkriegsflüchtling nimmt die EU einen syrischen Flüchtling auf, der legal und direkt einreisen darf.