Zahl der Flüchtlinge steigt weiter – ein Paradigmenwechsel ist gefordert

Die Zahl der Flüchtlinge steigt in Europa weiter an. In der Schweiz sind im letzten Quartal 7825 Asylgesuche eingereicht worden – 45 Prozent mehr als im zweiten Quartal 2014. Aus einer langfristigen Perspektive ist das jedoch nur ein geringer Anstieg.

Asylsuchende Frau mit Kind in der Empfangsstelle in Basel (Archiv). (Bild: sda)

Die Zahl der Flüchtlinge steigt in Europa weiter an. In der Schweiz sind im letzten Quartal 7825 Asylgesuche eingereicht worden – 45 Prozent mehr als im zweiten Quartal 2014. Aus einer langfristigen Perspektive ist das jedoch nur ein geringer Anstieg.

Gräuel im Irak, Krieg in der Ukraine – eine Schreckensmeldungen jagt die nächste. Viele Geflüchtete bleiben vor Ort – Experten schätzen, dass drei Millionen Syrien-Flüchtlinge in der Region unterkommen. Nur ein paar Prozent dieser Flüchtlinge kommen über das Mittelmeer nach Europa.

Und in der Schweiz kommt ein Bruchteil davon an. Dennoch: Die Asylgesuche steigen in den Monaten Juli, August und September im Vergleich zum vorigen Quartal um 45 Prozent, teilt das Bundesamt für Migration (BFM) mit.

In Süditalien trafen in den ersten neun Monaten des laufendes Jahres über 140’000 Migrantinnen und Migranten ein. Das sind mehr als dreimal so viel, wie während des ganzen Jahres 2013 in Süditalien landeten – damals waren es gesamthaft 43’000.

Keine syrische Community in der Schweiz

Die Asylmigration erreiche in Europa eine Dimension, «die letztmals während des Zerfalls Jugoslawiens festgestellt wurde», schreibt das BFM.

Während in anderen europäischen Staaten, wie Deutschland oder Schweden, die Asylgesuche explodieren, steigen sie in der Schweiz auf eine lange Frist betrachtet nur leicht an.

Der Durchschnitt der Asylgesuche betrug in den letzten zwölf Jahren in der Schweiz etwa 18’000 (pro Jahr). Dieses Jahr rechnet das BFM mit zirka 25’000 (bis jetzt sind es 17’710 hängige Asylgesuche).

Gesuche aus Sri Lanka steigen

Fast die Hälfte der Gesuche stammen von Personen aus Eritrea (3531 Gesuche). Aus Syrien gibt es 816 Gesuche. Im Vergleich zum Vorquartal haben sich die Gesuche von Personen aus Eritrea verdoppelt. Bei den Gesuchen aus Syrien ist sogar eine leichte Abnahme zu verzeichnen.

Warum gehen diese Gesuche zurück, wo sich die Kriegssituation in Syrien weiter zuspitzt? Der Grund liegt darin, dass die Zahl vorher aufgrund von erleichterten Visabestimmungen höher lag. Nun pendelt sich die Zahl der Gesuche auf einem immer noch hohen Niveau ein.

Ausserdem ziehen Syrer andere Länder vor, weil es in der Schweiz keine sehr grosse syrische Diaspora gibt, meint BFM-Sprecher Martin Reichlin: «Die Bedingungen für syrische Staatsangehörige – zum Beispiel Grösse der Diaspora, Verfahrensdauer, Anerkennungsquote, Sozialleistungen – sind in anderen Ländern Europas gleich gut oder attraktiver als in der Schweiz.»

Fluchtwege legalisieren

Die Asylgesuche von Menschen aus Sri Lanka steigen von 214 auf 369 Gesuche im dritten Quartal. Die Situation in Sri Lanka sei nach wie vor problematisch, erklärt Stefan Frey von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH): «Leute verschwinden oder werden gefoltert.» Das wird jedoch in den Massenmedien kaum zur Kenntnis genommen.

Stefan Frey rechnet damit, dass die Zunahme an Flüchtlingen von Politikern instrumentalisiert wird. «Die Bevölkerung sieht das Leid der Flüchtlinge und will grösstenteils helfen, das spüren wir immer wieder.»

Es brauche auch Politiker, die das Thema einer humanitären Flüchtlingspolitik vehement vertreten. «Jetzt sind die Entscheidungsträger herausgefordert – es braucht einen Kraftakt, um die Flüchtlingspolitik besser zu gestalten.»

Die Fluchtwege müssten beispielsweise legalisiert werden, damit weniger Menschen auf dem Weg übers Mittelmeer ertrinken. Das wäre ein erster Schritt.

Heribert Prantl, Journalist der «Süddeutschen Zeitung», propagierte unlängst in der ARD-Sendung «Beckmann» einen Paradigmenwechsel: «Wir müssen uns darauf einstellen, Flüchtlinge aufzunehmen – Europa muss ein Asylkontinent werden.»

 

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Mit Material der sda.

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