Zahl der Toten im Gazastreifen steigt nach Start von Bodenoffensive

Nach andauerndem Beschuss und einer vereitelten Kommandoaktion militanter Palästinenser hat Israel eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte, den Einsatz im Palästinensergebiet am Mittelmeer auszuweiten.

Israelische Panzer an der Grenze zum Gazastreifen (Bild: sda)

Nach andauerndem Beschuss und einer vereitelten Kommandoaktion militanter Palästinenser hat Israel eine Bodenoffensive im Gazastreifen gestartet. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu drohte, den Einsatz im Palästinensergebiet am Mittelmeer auszuweiten.

«Wir haben die israelischen Streitkräfte angewiesen, sich auf die Möglichkeit einer ernsthaften Ausweitung der Bodenaktivitäten einzustellen», sagte Netanjahu am Freitag. Rund 70’000 Soldaten standen bereit.

Die Truppen gingen mit Panzern, Artillerie, Marineschiffen, Kampfhelikoptern und Infanterie-Einheiten gegen die militanten Palästinensergruppen vor. Die Armee berichtete, sie habe am Boden etwa 150 Ziele angegriffen und zerstört.

Tunnelsystem zerstören

Der Einmarsch zielte zunächst vor allem auf die Zerstörung von Raketenwerfern und Tunnelanlagen radikaler Palästinensergruppen in dem Küstengebiet.

Durch einige der mehreren Hundert Tunnel sollen Waffen und Munition aus Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt werden. Durch andere Tunnel haben militante Palästinenser immer wieder versucht, nach Israel einzudringen, um Anschläge zu verüben. Zudem dienen die Bunker der Hamas-Führung als Schutz vor den israelischen Luftangriffen.

«Das Ziel ist es, eine Realität zu schaffen, in der israelische Bürger in Sicherheit und ohne willkürlichen Terror zu leben», teilte die Armee mit. Es ist die vierte Bodenoffensive seit Juni und November 2006 sowie Januar 2009. Die Einsätze dauerten meist rund eine Woche.

Immer mehr Tote

Mindestens 27 Menschen starben laut palästinensischen Angaben seit Beginn des Bodeneinsatzes. Mindestens 200 Menschen wurden verletzt. Unter den Opfern sind auch Kinder. Zum ersten Mal kam in dem Konflikt auch ein israelischer Soldat ums Leben.

Zuvor waren während elftägiger Luftgefechte bereits mehr als 260 Palästinenser getötet und weitere 2000 verletzt worden. Auch ein israelischer Zivilist kam ums Leben.

Nach Angaben der Stromwerke waren im Gazastreifen rund 70 Prozent der Häuser ohne Strom. Die Strassen waren völlig menschenleer. Nur zum dritten Freitagsgebet im Fastenmonat Ramadan gingen die Menschen kurz in die Moscheen, wo die Imame zum Durchhalten aufriefen und einen nahen Sieg versprachen.

Die Türkei forderte eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats. Ankara beantrage ausserdem Dringlichkeitstreffen des UNO-Menschenrechtsrats und der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), wie Aussenminister Ahmet Davutoglu ankündigte. «Wir verurteilen die von Israel nach den inhumanen Morden durch Luftangriffe begonnene Bodenoperation in Gaza auf das Schärfste.»

Hilferuf an die Schweiz

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas richtete einen Hilferuf an die Schweiz. Er bat in einem Brief an Bundespräsident Didier Burkhalter darum, zu den besetzten Gebieten eine dringliche Konferenz der Vertragsstaaten der Genfer Konventionen zu organisieren.

«Wir haben ihm bereits geantwortet, dass wir daran arbeiten», sagte Burkhalter in einem am Freitag auf der Website des Westschweizer Fernsehens RTS veröffentlichten Videointerview. Eine Sondersitzung einberufen kann die Schweiz – auch als Depositarstaat der Genfer Konventionen- dennoch nicht einfach. Dazu brauche es eine Übereinkunft der wichtigsten Vertragsstaaten der Genfer Konventionen, sagte der Aussenminister.

Zivilbevölkerung schützen

Die Schweiz beobachte die jüngste Eskalation im Nahost-Konflikt mit Sorge, teilte das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Freitag auf Anfrage mit. Es rief die Konfliktparteien auf, die Zivilbevölkerung zu schützen und unverzüglich an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Auch die UNO und die USA forderten beide Seiten zum Schutz von Unbeteiligten auf.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, Israel habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Deutschland stehe in dieser Frage an der Seite Israels.

Israel hatte elf Tage lang Ziele im Gazastreifen aus der Luft und von der See aus beschossen, bevor es die Bodenoffensive startete. Zuvor war eine Einigung mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas über eine Waffenruhe fehlgeschlagen.

Seit Beginn der Bodenoffensive hätten militante Palästinenser 50 Raketen auf Israel abgefeuert, von denen 20 in der Luft abgefangen worden seien, teilte die israelische Armee mit.

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