Zehntausende Menschen haben am Sonntag in Mazedoniens Hauptstadt Skopje den Rücktritt der Regierung gefordert. Sie warfen Ministerpräsident Nikola Gruevski vor, tief in Korruption und Kriminalität verstrickt zu sein.
Die aus dem ganzen Land trotz vieler von der Regierung veranlasster Blockaden angereisten Bürger trugen mit einer dicken roten Linie durchgestrichene Gruevski-Porträts. «Entweder Gruevski oder Mazedonien», beschrieben Redner die Problemlage rund um den seit 2006 zunehmend autoritär regierenden Regierungschef.
Schon am frühen Morgen zogen die Protestierenden in kilometerlangen Schlangen ins Zentrum. Sie wurden von der Opposition, Studenten- und Schülerverbänden sowie grossen Teilen der Zivilgesellschaft angeführt.
Während viele Medien unter Regierungskontrolle den Protest kleinschrieben, lobten die wenigen unabhängigen Stimmen den gemeinsamen Protest aller Nationalitäten in diesem Balkanland. «Mazedonier, Albaner, Türken, Roma – alle sind vereint mit dem Ziel des Regierungsrücktritts», schrieb das Portal «Libertas».
Während einige kritische Internetmedien immer wieder blockiert waren, berichteten viele Teilnehmer über die sozialen Netzwerke. «Die Informationsblockade ist gebrochen», freuten sie sich.
Abgehörte Telefonate Gruevskis
Die Opposition, die seit über einem Jahr wegen angeblich gefälschter Wahlen das Parlament boykottiert, veröffentlicht seit Monaten illegal abgehörte Telefonate Gruevskis mit seinen engsten Mitarbeitern.
Damit soll bewiesen werden, dass die Regierung 20’000 Bürger gesetzeswidrig bespitzelt, Journalisten und die Justiz unter Druck setzt, Kritiker drangsaliert und zum Teil umbringen lässt, in illegale Bank- und Baugeschäfte verwickelt ist und von ausländischen Firmen Bestechungsgelder von Dutzenden Millionen Euro verlangt hat.
Gruevski hat die Telefonate als montiert bezeichnet. Am Dienstag waren zwei Minister und der Geheimdienstchef des Landes wegen des Abhörskandals zurückgetreten.
Gruevski hatte einen Rücktritt am Samstagabend erneut abgelehnt. Er habe keinerlei Absicht zurückzutreten oder eine Übergangsregierung zu akzeptieren, sagte er dem regierungsnahen Fernsehsender Sitel. Gruevski ist seit 2006 Ministerpräsident des Balkanstaates und wurde im April 2014 bei vorgezogenen Neuwahlen im Amt bestätigt.
Proteste sollen weitergehen
Dem Oppositionsführer Zoran Zaev warf Gruevski vor, von ausländischen Geheimdiensten unterstützt zu werden. Zaev sagte einem Fernsehsender, die Proteste würden so lange fortgesetzt, bis die Regierung aus dem Amt getrieben sei. Die Regierung kündigte eine Demonstration ihrer Anhänger für Montagabend an.
Vor einer Woche waren in der nördlichen Stadt Kumanovo bei zweitägigen Feuergefechten zwischen der Polizei und einer schwer bewaffneten «Terrorgruppe» aus ethnischen Albanern acht Polizisten und 14 Aufständische getötet worden.
Rund ein Viertel der 2,1 Millionen Mazedonier sind ethnische Albaner. Die Beziehungen zwischen den Volksgruppen sind seit langem angespannt. Die Gefechte in Kumanovo lassen eine blutige Eskalation der politischen Krise befürchten, die die frühere jugoslawische Teilrepublik seit Monaten erschüttert.