Das Vorrücken der Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) in Syrien hat die grösste Flüchtlingswelle in die Türkei seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs ausgelöst. Innerhalb von zwei Tagen suchten mehr als 100’000 Menschen aus dem Norden Syriens Schutz im Nachbarland.
Die Türkei hatte am Freitag angesichts der Flüchtlingswelle aus dem Kurdengebiet ihre Grenzen geöffnet, nachdem das Land tagelang Schutzsuchende zurückgeschickt hatte. Nach offiziellen Zählungen strömten daraufhin 70’000 Menschen über die Grenze.
Die tatsächliche Zahl dürfte allerdings über 100’000 liegen, sagte die Vertreterin des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in der Türkei, Carol Batchelor. «Wir wissen ehrlich gesagt nicht, wann dieser Strom endet. Es könnten noch Hunderttausende mehr kommen. Wir benötigen Hilfe für grundsätzliche, lebensrettende Massnahmen.»
In der Türkei haben seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs über 1,3 Millionen Menschen Zuflucht gesucht.
Über 60 Dörfer in vier Tagen
Indes näherten sich die IS-Kämpfer nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bis auf ein Dutzend Kilometer der strategisch wichtigen Stadt Ain al-Arab. In der drittgrössten Kurden-Stadt in Syrien – die Kurden nennen sie Kobane – lebten vor den Kämpfen etwa 50’000 Menschen.
«Die meisten Frauen und Kinder haben Kobane verlassen, aber tausende kurdische Männer haben zu den Waffen gegriffen, um die Stadt zu verteidigen», berichtete der Lokaljournalist Mustefa Ebdi der Nachrichtenagentur AFP am Telefon.
Die IS-Kämpfer haben der Beobachtungsstelle zufolge seit Donnerstag mehr als 60 Dörfer erobert. Die Beobachtungsstelle stützt sich auf ein Netzwerk von Informanten in Syrien, deren Angaben nicht unmittelbar unabhängig überprüft werden können.