Die Zeitungskommentatoren kritisieren zum Teil die Scheinauswahl, die die SVP nach der Kür der drei Bundesratskandidaten präsentiert. Alles sei darauf ausgelegt, Thomas Aeschi den roten Teppich auszurollen. Vereinzelt werden aber auch Guy Parmelin Chancen zugestanden.
«Neue Zürcher Zeitung»: «Das inszenierte Schaulaufen ist vorbei. Der Aufmarsch der SVP-internen Bewerber für den Bundesrat hatte mehr an eine Tanzveranstaltung als an einen Wettbewerb der wägsten Köpfe erinnert. (…) Ins Scheinwerferlicht rückt die SVP den Zuger Nationalrat Thomas Aeschi. (…) Weshalb Thomas Aeschi? Das wird sich neben Heinz Brand auch die Schaffhauser SVP fragen. Sie hat mit dem gewesenen Ständeratspräsidenten Hannes Germann sowie dem Linienpiloten und Nationalrat Thomas Hurter zwei gestandene Kräfte portiert. Offenkundig will die SVP-Fraktion aber das Risiko minimieren, dass ihr ein Bundesrat aufs Auge gedrückt wird, der nicht resolut die Parteilinie verficht. Dass Aeschi stramm im Anti-EU-Windschatten Christoph Blochers marschiert, ist aktenkundig. Handkehrum ist auch bekannt, dass das Schaffhauser Duo im Führungszirkel der SVP mehr geduldet als wohlgelitten ist. Die Fraktion ist der Losung der Parteileitung gefolgt, die besagt: potenzielle Abweichler rechtzeitig aussortieren.»
«Tages-Anzeiger»/«Bund»: «Nach wochenlanger Medienpräsenz nahm die als Castingshow inszenierte Selektion gestern das vorhersehbare Ende: Die SVP-Fraktion folgt ihrem Vorstand und schlägt der Vereinigten Bundesversammlung ein Dreierticket mit Vertretern dreier Landessprachen vor. Für viele Parlamentarier läuft dieses Trio allerdings auf ein Einerticket hinaus. (…) Kronfavorit ist somit der 36-jährige Zuger Nationalrat Thomas Aeschi. Der Finanzpolitiker ist ein exemplarischer Vertreter jener SVP, die im Oktober schon die nationalen Wahlen gewann: freundlich im Auftritt, moderat im Ton. Dafür umso härter in der Sache. (…) Inhaltlich ist er alles andere als ein Konsenspolitiker und hält sich in wichtigen Fragen strikt an die Parteilinie. Daran liess er auch gestern bei seinem Auftritt vor den Medien keine Zweifel. (…) Tatsächlich setzt die Parteiführung alles daran, einen Vertreter blocherscher Prägung in den Bundesrat zu bringen.»
«Blick»: «Berauschend ist das Bundesrats-Ticket der SVP nicht: ein Berater, ein Bauer und ein Bignasca-Boy. Die SVP nominiert keine politischen Schwergewichte, sondern zwei einfache Parteisoldaten und einen abenteuerlichen Transfer von der Lega dei Ticinesi. Das Parlament sollte zwischen Thomas Aeschi und Guy Parmelin ausmarchen. (…) Auf der einen Seite der forsche, strebsame und spröde Aeschi. Auf der anderen der umgängliche, konziliante, aber auch unauffällige Parmelin. Seine Chancen stehen gut, denn das Parlament bevorzugt wohl eher den gesetzten Vermittler als den jungen Streber.»
«Berner Zeitung»: «Drei Kandidaten, drei Landesteile – alles bestens an der Kandidatenfront, möchte man meinen. Doch nichts dergleichen: Eine Scheinauswahl sei es, heisst es reihum bei den anderen Parteien, ein Ticket mit Gobbi und Parmelin, mit zwei Unwählbaren also, ausgestellt mit dem einzigen Ziel, dem auf Blocher-Linie politisierenden Emporkömmling Thomas Aeschi den roten Teppich auszurollen. Dieses Lamento von SP, CVP & Co. wirkt ziemlich deplatziert. Es ist offensichtlich: Norman Gobbi, Rechtsausleger der Lega dei Ticinesi (…), ist für jeden vernünftigen Parlamentarier diesseits des Gotthards nicht wählbar. Doch bei Guy Parmelin liegt der Fall anders. Soll Parmelin nur darum kein valabler Kandidat sein, weil er ein Romand ist? Wäre ein dritter Bundesrat französischer Muttersprache ein derart grosses Unglück? (…) Die Parteien haben von der SVP eine Auswahl verlangt (…). Nun darf die SVP erwarten, dass die Bundesversammlung am 9. Dezember einen ihrer offiziellen Kandidaten in den Bundesrat wählt. Alles andere wäre eine üble Zwängerei. Erst recht im Wissen um die Ausschlussklausel der Volkspartei.»
«Aargauer Zeitung»: «Formell macht die Partei alles richtig: Wie von der Konkurrenz gefordert, bietet sie eine Auswahl. Es ist unredlich, der SVP jetzt vorzuwerfen, diese Auswahl sei unecht, nur weil einem der eine oder andere Name auf dem Ticket nicht passt. (…) Stutzig macht höchstens die Begründung, die Fraktionschef Adrian Amstutz mitgeliefert hat: Die Partei wolle nebst Ueli Maurer am liebsten mit einem Romand oder einem Tessiner im Bundesrat vertreten sein. Warum in diesem Fall der Zuger Nationalrat Thomas Aeschi trotzdem auf dem Ticket landet, leuchtet nicht ein. Oder etwa doch? Es ist längst ein offenes Geheimnis: Aeschi ist Blochers Zauberlehrling, jung, talentiert und stramm rechts. Der Toni Brunner der Innerschweiz. Ihm sollen, so Blochers Kalkül, zwei ernsthafte, aber nicht mehrheitsfähige Kandidaten aus der lateinischen Schweiz zur Seite gestellt werden.»
«Le Temps»: «Der Harvard-Abgänger und polyglotte Unternehmensberater ist ein Apostel der finanziellen Disziplin. Die SVP sähe ihn gerne an der Spitze des Finanzdepartements. Die FDP würde applaudieren, aber was denken sich wohl die anderen Parteien? Oft wurde gesagt, dass ein Dreierticket mit einem Romand und einem Tessiner eine Alibiübung sei, um die Wahl eines Deutschschweizers vorzuspuren. Die Realität dürfte komplexer sein. (…) Die Chancen des offiziellen Kandidaten Parmelin sind nicht zwingend so gering, wie so oft wiederholt. (…) Anders wäre es gewesen, wenn der Romand auf dem Ticket Oskar Freysinger geheissen hätte. Wegen seinem Hang zur Provokation, seinen Kontakten zu gewissen europäischen Rechten, wäre er ein wirklicher Alibikandidat gewesen. (…) Mit Guy Parmelin bleibt eine Überraschung im Bereich des Möglichen.»