Markus Werners Roman in Dialogen ist ein raffiniert gestricktes Denkspiel mit dramatischem Hintergrund. Jetzt holt Markus Imboden das Spiel zweier Männer um eine Frau in den Vordergrund. Ein Fernsehspiel.
Zwei Männer reden über Frauen: Der Gatte und der Geliebte. Beide wissen nicht, dass sie eine Frau verbindet. Lange nicht. Im Roman «Am Hang» von Markus Werner setzt sich Clarin, ein oberflächlicher Womanizer auf der Hotelterrasse zu einem älteren Herrn. Die beiden kommen ins Gespräch: Bald werden ihre unterschiedlichen Auffassungen von Liebe und Gegenwart klar. Nur in einem sind die beiden vereint – ohne es zu wissen: Im Begehren einer Frau.
Die Konstruktion des Romans hat literarische Raffinesse. Und der Film? Henry Hübchen, Martina Gedeck, Max Simonischek. Ihre Namen stehen im Himmel, wenn der Film beginnt. Ein Motor erstirbt. Eine Schranke geht nieder. Gleich wird ein Zug vorbeidonnern. Ein älterer Mann steht am Gleis, in unklarer Absicht. Dann rast der Zug auf uns zu. Ein junger Mann reisst den älteren Mann zurück. So kommen die beiden ins Gespräch. Das ist der Beginn der Filmversion von «Am Hang».
Im immerwährendes Gespräch über die Liebe: Grandiose Schauspieler
Der Roman ist in Dialogen geschrieben. Dialoge, die in uns etwas verändern. Dialoge, die die Veränderung der Sprechenden glaubhaft machen. Die Versuchung ist also gross, die Dialoge dem Drehbuch einzuverleiben. Doch das ist ein erster Irrtum des Films: «Am Hang» ist nicht eine Kurzgeschichte von Hemingway, die Dialoge in wechselnde Bilder setzt. In «Am Hang» sind die Dialoge mehr ein philosophischer Diskurs mit psychologischer Raffinesse. Werden die geschriebenen Sätze allerdings erst einmal von Figuren ausgesprochen, werden sie zu papierenen Worthülsen.
Im Verlaufe des Films bleiben die beiden Männer im gleichen Bild. Eine Entwicklung, wie sie in uns im Roman entsteht, kann so der Film nur ungenügend leisten. Er hat sich an die reale Zeit von vielleicht drei Tagesgesprächen zu halten. Im Roman darf man sich zwei gegensätzliche Mannsbilder denken, die sich am Widerspruch schärfen. Im Film sind sich die beiden Männer fast ähnlich: Da bilden der ältere Musiker und praktizierende Zyniker von Henry Hübchen und der etwas melancholische Praktiker von Max Simonischek kein wirkliches Gegensatzpaar.
Was kann uns im Film berühren
Im Film treffen sich die beiden Männer nach einem Selbstmordversuch, und – schade – reden sofort über den scheinbaren Selbstmord, ehe sie sich in zeitgeistvolles Geplänkel begeben. Über Frauen. Über Worte, die in einer Ehe eine Rolle spielen wie «Investieren in Gefühle». Dann spricht der Mann etwas auf den Anrufbeantworter einer Frau, von der wir erfahren, sie sei tot – ihr Handyanschluss mit ihrer Stimme funktioniere aber noch.
Eine Balance, wie sie im Roman entsteht, zwischen philosophischem Beharren und voyeuristischer Neugier, will mit den gesprochenen Sätzen im Film nicht recht entstehen. Für einen dramatischen Fortgang bräuchte es zwei gegensätzliche Figuren, in Situationen die sich gegenläufig entwickeln. Der Film vergrössert die Spannung. Doch bleiben die Gesprächs-Situationen nur brav abgelichtet.
Es sind die melancholischen Momente der Frau, die berühren: Verloren zwischen den beiden Liebes-Philosophen, taumelt Martina Gedeck hin und her. Selbst in ihren Glücksmomenten scheint sie zu seufzen. Die Männer hingegen bleiben eigenartig unveränderbar im Verlauf der Geschichte. Dabei sind das prächtige Schauspieler, die auch mit Worthülsen ihren Figuren Tiefe abgewinnen können.
Das Drama, das keines ist
Haben wir im Roman das Gefühl, dass zwei Männer sich selber viel vormachen, machen sie im Film immerhin der Frau etwas vor. Das Drama, das die Männer zu Geheimagenten der Eifersucht macht, die sich misstrauisch beobachten, sich Fallen stellen, entwickelt sich nur zögernd. Das macht im Film nur die Geschichte der Frau dramatisch, die am filmischsten erzählt ist. Markus Werner hat eben doch kein Drama geschrieben, sondern einen Roman in Dialogen.
Die Bilder, die Markus Imboden erfindet, führen nur wenig über den Dialog hinaus in die zwei unterschiedlichen Welten der Liebe. Wenn etwa der Klavierstimmer sich im Klavier spiegelt, die Stimmung aufnimmt, die bei der Frau nach dem ärztlichen Bescheid herrscht, oder die Zugräder über die beiden Männer hinwegrasen – das sind Ansätze zu filmischer Raffinesse. Ansonsten jagt sprachlich ein aphoristischer Einfall den anderen, ohne dass daraus im Film eine Idee würde. Die Bilder dazu sind brav: «Am Hang» ist ein Fernsehspiel geworden. Immerhin ein gutes.