Zu früh ausgestiegen – sie hätten Popstars werden können

Ein Gitarrist von Nirvana, der später in der US-Army Karriere machte. Ein Sänger von AC/DC, der von Bon Scott abgelöst wurde. Und ein Bassist, der bei den Beatles ausstieg: 7 Musiker, die fast Weltstars geworden wären. Am Anfang der Beatles, als sie Coverversionen der damaligen Rock-’n‘-Roll-Hits und ihre ersten, noch etwas ungelenken Liebeslieder spielten, war […]

Die Anfänge der Beatles in Hamburg: George Harrison, Stu Sutcliffe und John Lennon.

Ein Gitarrist von Nirvana, der später in der US-Army Karriere machte. Ein Sänger von AC/DC, der von Bon Scott abgelöst wurde. Und ein Bassist, der bei den Beatles ausstieg: 7 Musiker, die fast Weltstars geworden wären.

Am Anfang der Beatles, als sie Coverversionen der damaligen Rock-’n‘-Roll-Hits und ihre ersten, noch etwas ungelenken Liebeslieder spielten, war Stuart Sutcliffe der «fünfte Beatle». Der Mann am Bass war ein Jugendfreund von John Lennon. Er verliess die Band noch vor ihrem ersten Album 1961. Nach seinem Abgang schafften die Beatles den Aufstieg zur einflussreichsten Band der Popgeschichte.

Sutcliffe, der heute seinen 75. Geburtstag feiern könnte, war einer der Ersten in der Geschichte des Pop, die aus eigenen Stücken auf den möglichen Ruhm verzichteten. Seinen Entscheid zu bereuen, dazu kam er nicht mehr: er verstarb ein Jahr nach seinem Rückzug. Zu Ehren seines Geburtstags – eine Liste über jene, die zu früh ausstiegen und danach mitansehen mussten, wie die verlassenen Kollegen zu Stars wurden.

1. Stuart Sutcliffe – The Beatles

Sutcliffe ist nicht der Einzige, der als «fünfter Beatle» bezeichnet wird. Derselbe Titel ging an Pete Best, den ersten Schlagzeuger der Band. Sutcliffe und Best hatten noch zusammen gespielt, doch während Best «gegangen wurde» und Ringo Starr seinen Platz einnahm, verliess Sutcliffe die Band aus eigenen Stücken. Auf ihrer Knochentour durch die Konzertclubs auf dem Hamburger Kiez in ihren frühen Jahren traf die Band auf die Fotografin Astrid Kirchherr. Sie schoss nicht nur einige der frühen, ikonischen Bandbilder der Beatles, sondern hatte auch Sutcliffe die erste Pilzfrisur verpasst, die schliesslich zum optischen Markenzeichen der Band wurde. Sutcliffe, der nur begrenzte musikalische Fähigkeiten hatte und sich am Instrument nie wohl fühlte, verliess die Band 1961 und blieb in Hamburg. Kirchherr und er wurden ein Paar, er widmete sich seinem Talent als Künstler, begann ein Studium – und verstarb bereits nach einem Jahr an einer Hirnblutung. Auch wenn keiner der vielen Beatles-Hits mit seinem Namen verbunden ist, vergessen ging Sutcliffe nicht: 1994 kam der Film «Backbeat» in die Kinos, der die Geschichte von Sutcliffe und Kirchherr erzählte. Die BBC produzierte die ausführliche Doku «The Lost Beatle» zu seinem Leben, und vor vier Jahren erschien im empfehlenswerten Reprodukt-Verlag die Saga von Stuart und Alice als Comic. Einer, der auf den Erfolg verzichtete, um sich der Kunst zu widmen, und der jung in den Armen seiner Geliebten starb – es ist eine Geschichte, die sich immer wieder erzählen lässt.

2. Dave Evans – AC/DC

So sah das aus bei AC/DC, bevor Bon Scott kam: die Band trug farbige Glitzerkleider (aber Angus Young bereits die Schuluniform), ihr erdiger Rock‘ n‘ Roll klang noch nach dem erfolgreichen britischen Glamrock der frühen Siebzigerjahre, und am Mikrofon stand Dave Evans. Dessen Stimme war geschmeidiger und melodiöser als der raue Biss von Bon Scott, und auch sonst muss es da ein paar Unterschiede gegeben haben, die an den Nerven der Band nagten. Ob Evans von Bandboss Malcolm Young aus Eifersucht über die Verehrung des Sängers durch die Fans nach nur einem Jahr gefeuert wurde oder ob Evans doch von sich aus ging, weil er mit den Querköpfen in der Band nicht klar kam – überliefert sind verschiedene Versionen. Evans blieb beim melodischen Rock, schloss sich der australischen Band Rabbit an und hatte in Down Under in den Siebzigern mittlere Erfolge. AC/DC jedoch gingen um die Welt, bis heute. Weil er auf keiner Platte mitgesungen hatte, schauten für Evans nie Tantiemen raus, doch von seinem Kurzzeit-Engagement profitiert er bis heute: Regelmässig tritt er an AC/DC-Fanfestivals auf – angekündigt jeweils als «Original Singer» der Hardrocklegende. Nicht mal gelogen.

3. Tracii Guns – Guns N‘ Roses


Da haben sich zwei gefunden in den frühen 1980er-Jahren. Der eine war Axl Rose, zwei Jahre zuvor in der kalifornischen Metropole angekommen und Sänger von Hollywood Rose, der andere Tracii Guns. Auch er hatte mit den L.A. Guns eine Band, die seinen Namen trug und die ruppigen Hard Rock spielte, und er war es, der Axl Rose 1983 erstmals kurzzeitig als Sänger beschäftigte, um 1985 erneut zu verschmelzen – diesmal auch im Namen: Guns N‘ Roses waren geboren. Die Liaison hielt allerdings nicht lange: Guns verliess die Band wieder, offenbar wegen der ausschweifenden Freude seiner Mitmusiker an Drogen, und formierte die L.A. Guns wieder. Mit ihnen veröffentlichte er in den folgenden 15 Jahre zehn Alben, von denen es immerhin die ersten drei in die Top50 der US-Charts schafften. Axl Rose hingegen ersetzte bei den Guns N‘ Roses Tracii Guns mit Slash – und die Band wurde für ein paar Jahre das grösste Ding im Rock. Bis Grunge kam…..

4. Jason Everman – Nirvana & Soundgarden

Als 1989 «Bleach», das Debüt-Album von Nirvana erschien, stand sein Name im Line-up: Jason Everman, Gitarre. Ob er tatsächlich auf der Platte zu hören ist, gilt als umstritten, doch es sollte sowieso nicht lange funktionieren. Everman und Nirvana gingen getrennte Wege, da er auf der Bühne zu «showbizzy», privat jedoch zu introvertiert gewesen sei. Danach kam er bei Soundgarden unter, die ebenfalls noch weit vor ihren Erfolgen der 90er-Jahre standen. Dort übernahm er den Bass – und war nach wenigen Monaten wieder draussen. Auch hier passte es nicht, und dass Evermans Persönlichkeit nur schwer in eine Grunge-Band zu fügen war, schien seine spätere Biografie zu bestätigen. Während Grunge gewaltig abhob, um nach wenigen Jahren eine Bruchlandung zu vollführen, ging Everman zur US-Armee, kam in eine Elitetruppe, war in Afghanistan und im Irak als Mitglied der Special Forces – bei jener Kampfeinheit, die mit den delikatesten Einsätzen beauftragt war. Nach seinem Dienstende studierte er Philosophie in New York. Eine unglaubliche Biografie, festgehalten in einem wunderbaren Porträt der «New York Times».

5. Syd Barrett – Pink Floyd

Man kommt um ihn nicht herum in solch einer Liste, obwohl er nicht wirklich hier hinein gehört. Syd Barrett, Pionier des Psychedelic Rock, Spiritus Rector von «The Piper At The Gates Of Dawn», das Debüt von Pink Floyd. Bereits 1967, als das Album erschien, waren Barretts psychische Probleme, befeuert durch seinen häufigen LSD-Konsum, deutlich geworden, seine Unberechenbarkeit und Unzuverlässigkeit führte 1968 schliesslich zur Trennung von Pink Floyd. Bereits davor hatten die restlichen Bandmitglieder den Gitarristen David Gilmour als Back-up für die Konzerte hinzugezogen, weil Barrett manchmal mitten in den Songs seine Gitarre umzustimmen begann oder konstant nur einen einzigen Akkord spielte. Barrett hatte seinen Ausstieg nicht selbst vollzogen, die Trennung war aufgrund seines zunehmend erratischen Verhaltens jedoch unausweichlich. Die Türen, die er geöffnet hatte, durchschritt die Band schliesslich ohne ihn – und spielte kolossale Alben ein. Barrett ging in der Bandgeschichte nicht vergessen, sondern war immer wiederkehrendes Thema – etwa im ihm gewidmeten «Shine On You Crazy Diamond». Barrett selber zog sich nach zwei Soloalben und zunehmendem Realitätsverlust komplett ins Mutterhaus zurück, blieb der grosse Verschollene der Popgeschichte – bis 2006 das Management von Pink Floyd seinen Tod verkündete. Er starb im Alter von 60 Jahren an Krebs.

6. Stephen Duffy – Duran Duran

Seine berühmtesten Songs hat er weder selbst gesungen noch gespielt: 2005 schrieb Stephen Duffy als Co-Autor für Robbie Williams dessen Album «Intensive Care» und damit Hits wie «Tripping» oder «Sin Sin Sin». Songschreiber für einen damaligen Megastar wie Williams – dieser Werdegang von Duffy ist nicht ohne Ironie. 1978 gründete er zusammen mit ein paar Schulfreunden in Birmingham eine Synthiepop-Band mit Faible für Art-Rock, benannt nach einem Bösewicht aus dem Trashfilm «Barbarella»: Duran Duran. Duffys Bandkollegen hatten von Anfang an hochtrabende Ambitionen, die den Sänger befremdeten. Zwei Jahre nach der Gründung verliess er Duran Duran, Simon LeBon übernahm das Mikrofon – und die Band mischte in der New-Romantics-Welle extravagant und erfolgreich mit. Duffy startete verschiedene neue Projekte, die ab und zu einen kleineren Hit abwarfen, veröffentlichte 1999 unter dem Namen The Devils doch noch das Frühwerk von Duran Duran – und dann, als Robbie Williams kam, öffnete er sich doch noch für den kommerziellen Erfolg.

7. Tony McCarroll – Oasis

Tony McCarroll war der Schlagzeuger auf dem meistverkauften Debüt des Vereinigten Königreichs: «Definitely Maybe» von Oasis, das heute als Gründungswerk der Britpop-Ära gilt. McCarroll, obwohl Urmitglied der Band und bereits Schlagzeuger, bevor die beiden Gallaghers zu Oasis stiessen, hatte einen schweren Stand: von Songschreiber und «Chief» Noel Gallagher wurde er bestenfalls mit Ignoranz, meist jedoch mit harscher Kritik über sein Schlagzeugspiel gestraft, und im Clip zu «Live Forever», dem grössten Hit ihres Debüts, haben Oasis ihren Drummer sogar lebendig begraben. Lange konnte er sich nicht halten, sein Rauswurf folgte 1995. Warum er dennoch Eingang in diese Liste findet, hat mit der vom Oasis-Management offerierten Abfindung zu tun, die er 1999 nach langem Rechtsstreit akzeptierte: 600’000 britische Pfund, dafür verzichtete er auf alle möglichen weiteren Forderungen. «Ist das der dümmste Mensch im Showbiz?», fragte eine britische Zeitung nach Bekanntgabe des Deals süffisant, und tatsächlich hat sich McCarroll unglaublich billig abspeisen lassen: «Definitely Maybe» verkaufte sich millionenfach, das Nachfolgealbum «What’s The Story (Morning Glory)», wo McCarrolls Drums noch auf einem Song zu hören sind, übertraf den Erfolg des Debüts gar, hinzu kamen verkaufsstarke Live-Alben und Greatest-Hits-Ausgaben. Die Verbitterung darüber hat McCarroll nie ganz überwunden. 2010 veröffentlichte er das Buch «The Truth», das seine Seite über die Geschichte von Oasis, seines Rauswurfs und der Abfindung zeigen sollte. «Ich kann nichts Schlechtes über Noel Gallagher sagen», meinte er damals, «aber er ist ein Arschloch.»

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