Der alpenquerende Gütertransitverkehr funktioniert nicht so, wie er in der Bundesverfassung verankert ist. Auch das gesetzlich definierte Verlagerungsziel werde verfehlt, kritisiert die Alpeninitiative. Sie warnt vor einer weiteren Aufweichung des Paragrafen.
Die Bundesverfassung schreibt vor, dass «der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze» auf der Schiene zu erfolgen hat. Gemäss Güterverkehrsverlagerungsgesetz dürfen maximal 650’000 Lastwagenfahrten pro Jahr die Alpen queren.
Trotz des Trends hin zu mehr Schienengüterverkehr kann diese Vorgabe, welche mit der Alpeninitiative 1994 gefordert wurde, nicht erreicht werden: Allein im ersten Halbjahr 2014 querten gemäss Zahlen des Bundesamts für Verkehr (BAV) 567’000 Lastwagen die Alpen. Die Zahlen fürs gesamte Jahr werden Ende März kommuniziert.
Gutachten kritisiert gesetzliche Umsetzung
Laut dem Verein Alpeninitiative, welcher sich für den Schutz des Alpengebiets vor dem Transitverkehr einsetzt, verletzt der Bund mit dem Nichteinhalten der Vorgaben die Verfassung. Eine neue Studie des Instituts für Europarecht der Universität Freiburg, welche am Dienstag vor den Medien in Bern präsentiert wurde, stützt diese Auffassung.
«Das gegenwärtige Verkehrsvolumen im alpenquerenden Güterschwerverkehr bedeutet eine offenkundige Verletzung sowohl der verfassungsrechtlichen als auch der gesetzlichen Verlagerungsvorgabe», heisst es in der Zusammenfassung des Rechtsgutachtens. Für die Studienautoren besteht nur begrenzt Spielraum für eine weitere Erstreckung der Verlagerungsfrist, wie dies der Bundesrat prüfen will.
Bis Ende Jahr muss die Regierung ihre Bilanz zur Verlagerung präsentieren. Jon Pult, Präsident der Alpeninitiative, warnt gemäss Redetext vor einer weiteren Abschwächung des Verlagerungsziels. «Dies käme dem Ende der jahrzehntelangen Anstrengungen gleich, den Schwerverkehr von der Strasse auf die Schiene zu bringen.»
Massnahmen gefordert
«Anstatt erneut seine Untätigkeit zu beschönigen oder gar das Ziel infrage zu stellen, sollte der Bundesrat endlich einen konkreten Massnahmenplan präsentieren», sagte GLP-Vizepräsident Laurent Seydoux, der im Vorstand der Alpeninitiative sitzt.
Der Umweltverband fordert die Ausschöpfung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA), wie das im Landverkehrsabkommen vorgesehen sei, die gezielte Förderung von technischen Innovationen im Schienengüterverkehr und ernsthafte Verhandlungen über eine Alpentransitbörse.
Die Alpeninitiative warnte in diesem Zusammenhang zum wiederholten Mal vor dem Bau einer zweiten Gotthardröhre. Diese würde den Alpenschutz, die Lebensqualität in den Alpen und die Klimapolitik gefährden.