Zürcher Justizdirektor verteidigt Auslandaufenthalt von Carlos

Der unter dem Pseudonym Carlos bekanntgewordene Straftäter hält sich zur Zeit in den Niederlanden auf. Er absolviere dort aber kein Thaiboxtraining, versicherten der Zürcher Justizdirektor Martin Graf (Grüne) und der Leitende Oberjugendanwalt Marcel Riesen vor den Medien.

Der Zürcher Justizdirektor Martin Graf äussert sich zum Fall Carlos (Bild: sda)

Der unter dem Pseudonym Carlos bekanntgewordene Straftäter hält sich zur Zeit in den Niederlanden auf. Er absolviere dort aber kein Thaiboxtraining, versicherten der Zürcher Justizdirektor Martin Graf (Grüne) und der Leitende Oberjugendanwalt Marcel Riesen vor den Medien.

Graf informierte zusammen mit Riesen über die Einzelheiten zum neuen Sondersetting des jungen Straftäters Carlos. Anlass dazu gaben Medienberichte, wonach sich Carlos in den Niederlanden in einem Thaibox-Zentrum aufhalte.

Entgegen anders lautenden Medienberichten betreibe Carlos kein Thaiboxen, versicherte Riesen. Er habe lediglich ein Fitnesstraining in einem Hotel absolviert. Die Unterbringung im Ausland biete beste Gewähr für eine Stabilisierung. «Ich hatte gehofft, dass dies geheim bleibt», sagte der Oberjugendanwalt.

In den Niederlanden untergebracht war Carlos in den ersten Tagen in einem Hotelzimmer zum Preis von 124 Euro pro Nacht. Dort gab es laut Riesen Trainingsmöglichkeiten, die es Carlos erlaubten, seine körperliche Energie abzuarbeiten. Inzwischen habe Carlos das Hotel aber bereits wieder verlassen.

Laut Justizdirektor Graf geniesst die mit dem Sondersetting betraute Sozialfirma Riesen-Oggenfuss in der ersten Phase über einen «vergleichsweise grossen Gestaltungsspielraum». Er sei am vergangenen Samstagabend darüber informiert worden, dass sich Carlos in Holland aufhalte.

Ziel der ersten Phase des Settings sei es, Carlos zu stabilisieren, Ruhe in die Sache zu bringen und ihn auf die zweite Phase des Settings vorzubereiten. Carlos werde rund um die Uhr betreut. Auch ein Lehrer sei vor Ort.

Dazu habe er verschiedene Personen aus seinem Freundeskreis um sich, auch aus der Familie Beqiri, die in der Region Basel ein Thaibox-Center betreibt, in dem Carlos beim ersten Setting trainiert hat. Diese bekommen jedoch kein Geld, wie Riesen erklärte. Das Kostendach von 19’000 Franken werde in jedem Fall eingehalten.

Klare Tagesstruktur

In der zweiten Phase des Settings, das in wenigen Wochen beginne, werde Carlos in einer einfachen Wohnung mit enger sozialpädagogischer Betreuung untergebracht. Die Tagesstruktur bestehe aus Schule, Arbeitstätigkeit und Praktika, sagte Riesen. Sporttrainings könne Carlos lediglich in seiner Freizeit besuchen.

«Wir stehen hinter dem, was wir eingerichtet haben», versicherte Graf. «Wenn das Sondersetting eine Chance haben soll, muss man dem auch Zeit geben.» Carlos sei ein Einzelfall, den man nun auf den Weg bringen müsse, damit es später nicht noch mehr koste.

Nach einem Urteil des Bundesgerichts musste Carlos letzte Woche aus dem geschlossen Vollzug freigelassen werden. Graf hätte eine institutionelle Unterbringung bevorzugt. Dazu zeigte sich Carlos jedoch nicht bereit.

SVP fordert PUK – SP Abtausch der Direktionen

Inzwischen hat die Finanzkommission des Zürcher Kantonsrates die Oberjugendanwaltschaft genauer unter die Lupe genommen. Dass der fallführende Jugendanwalt bei der Anordnung von Massnahmen über eine unbegrenzte Finanzkompetenz verfügt, erachtet sie als «problematisch». Sie fordert die Einführung eines Controlling. Sondersettings sollen auch auf ihre wirtschaftlichen Aspekte überprüft werden.

Eine unkontrollierte Jugendanwaltschaft mit unbegrenzter Finanzkompetenz sei völlig unverständlich, schreibt die FDP in einer Stellungnahmen. Die SVP findet dies unhaltbar. Um zu klären, ob der Justizdirektor und die Verantwortlichen der Jugendanwaltschaft noch tragbar sind, braucht es laut SVP eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK).

Auch die CVP fordert, dass der Fall «Carlos» umfassend untersucht wird. Die SP kritisiert die verfahrene Situation im Fall «Carlos», die dem Kanton und allen Beteiligten schade. Sie fordert daher den Gesamtregierungsrat auf Verantwortung zu übernehmen: Martin Graf und Baudirektor Markus Kägi (SVP) sollten die Direktionen tauschen.

Damit würde ein politischer Neuanfang möglich. Martin Graf könne sich so seinen Kernanliegen und Kernkompetenzen widmen und die SVP könne Verantwortung für einen Politikbereich übernehmen, den sie vornehmlich nur kritisiere, schreibt die SP.

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