Der Zürcher Strichplatz ist am Montagabend eröffnet worden. Ausser Medienleuten und «Offiziellen» kam kaum jemand.
«Das ist ein historischer Moment», sagt Angela Montanile, eine altgediente Polizistin und ihr ebenso erfahrener Kollege nickt dazu. «Ich freue mich von Herzen, dass die Anwohnerinnen und Anwohner des Sihlquai jetzt durchatmen können», sagt Montanile weiter. Sie gehört zur Fachgruppe Milieu und Sexualdelikte – in manchen Krimis heisst das immer noch «die von der Sitte».
Die Leute am Sihlquai hatten zu leiden unter den Auswirkungen der offenen Drogenszene am Platzspitz, später am Letten, und dann unter dem Strassenstrich. Die Eröffnung des Strichplatzes in Zürich-Altstetten sei deshalb ein historischer Moment, sagt Montanile.
Sie und ihr Kollege Hanspeter Meier mit 35 Dienstjahren haben viele Veränderungen miterlebt. Der Zustrom von Frauen aus Osteuropa zum Strassenstrich ist eine davon. Montanile und Meier kennen die Prostituierten und diese kennen sie. Schon am Sihlquai haben sie sporadisch Bewilligungen und dergleichen kontrolliert. Sie schauen, «ob die Regeln eingehalten werden», so Montanile.
Grössere Sicherheit für die Frauen
Auf dem Strichplatz warten zahlreiche Journalisten mit Schreibblöcken, Kameras, Mikrofonen. Ursula Kocher, Leiterin der Frauenberatungsstelle Flora Dora sagt zum wiederholten Mal, sie sehe dem Experiment Strichplatz zuversichtlich entgegen. Man müsse jetzt aber erst einmal Erfahrungen sammeln. Die Sicherheit für die Frauen sei deutlich höher als auf der Strasse.
Michael Herzig, Vizedirektor des Stadtzürcher Sozialdepartements erklärt wie der Rundkurs funktioniert: Die Freier fahren per Auto das Strässlein entlang und verhandeln mit den Frauen, die dort stehen. Die eigentliche Dienstleistung wird in den Sexboxen bezogen.
Entlang dem Rundkurs gibt es für die Frauen gedeckte Unterstände, ausgerüstet mit einfachen Bänklein, Aschenbechern und Abfalleimern. Die Unterstände sind so konstruiert, dass die Prostituierten hinter einem Wändlein verschwinden können, sollte etwa ein Freier nahen, mit dem sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, wie Thomas Meier vom Sozialdepartement sagt. Auch hier gilt: mehr Sicherheit.
Kapuze im Gesicht
Nun kommt Bewegung in die Journalistenschar: Ein Wohnmobil mit Schwyzer Kennzeichen fährt durchs Tor. Am Steuer sitzt ein Mann mit langem, grauem Rossschwanz, daneben eine junge Frau. Sie zieht die Kapuze ihrer Jacke tief ins Gesicht. Sie steuern die Standplätze für Wohnmobile der Sexarbeiterinnen zuhinterst im Areal an. Der Mann parkiert und verlässt dann zu Fuss zügig den Strichplatz.
Die Frau im grauen Trainer steigt kurz aus, sieht sich der Journalistenschar gegenüber und flüchtet ins Wohnmobil zurück. Sie sei aus der Slowakei, ist das einzige, was sie sagt. Dann zieht sie die Tür zu und den Vorhang vor, und so bleibt es auch, solange die Medienleute da sind. Die beiden Stadtpolizisten bleiben derweil sicherheitshalber in ihrer Nähe.