Das Zürcher Verwaltungsgericht pfeift das Zürcher Kinderspital zurück: Es ist in einem Urteil zum Schluss gekommen, dass die Klinik wegen der manchmal langen Arbeitszeiten ihrer Assistenzärzte gegen das Arbeitsgesetz verstösst.
Eigentlich ist die Gesetzeslage klar: Assistenzärzte und -ärztinnen dürfen pro Woche maximal 50 Stunden arbeiten und höchstens sechs Tage am Stück. In der Praxis sieht es allerdings oft anders aus: Die angehenden Ärzte sind auch mal sieben Tage am Stück im Dienst und sammeln viele Überstunden an.
Im Juni 2013 erhielt das Zürcher «Kispi» deswegen Post vom kantonalen Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA): In einer Verfügung wies es die Klinik an, das Arbeitsgesetz «umgehend einzuhalten».
Notfälle sind der Normalfall
Das «Kispi» wollte dieser Verfügung nicht nachkommen und gelangte an die Volkswirtschaftsdirektion. Diese lehnte die Aufhebung der Anweisung jedoch ab, worauf sich die Klinik an das Verwaltungsgericht wandte.
Erfolglos, wie aus dem kürzlich gefällten Urteil hervorgeht. Das Gericht stellte in seinem Urteil unmissverständlich klar, dass sich auch eine Klinik an das Arbeitsgesetz zu halten habe. Notfälle seien in einem Spital schliesslich an der Tagesordnung und somit kein Grund für derart viele Überstunden.
Nichts wissen wollte das Gericht vom Angebot, mit «Kispi»-Assistenzärzten reden zu können. Dass die Klinik gegen das Gesetz verstösst, ist gemäss Urteil ausreichend belegt. Das persönliche Erleben der Betroffenen sei dabei irrelevant.
«Zu starres System»
Beim «Kispi» nimmt man das Urteil zur Kenntnis, ärgert sich aber über den mangelnden Freiraum. Das heutige System sei für ein Spital einfach zu starr, sagte Spitaldirektor Markus Malagoli auf Anfrage der sda. Meist schaffe man es ja, das Gesetz einzuhalten. Gelegentlich würden die Arbeitszeiten aber schon überschritten.
Kompensiert würden die Überstunden dann meist zu einem anderen Zeitpunkt, in einer anderen Woche oder in einem anderen Monat. «Das Problem ist aber, dass das AWA die Kompensation ausdrücklich in der selben Woche verlangt», sagte Malagoli weiter. «Für einen Spitalbetrieb ist diese Regelung einfach zu wenig flexibel.»
Weiterzug noch unklar
Malagoli betonte, Assistenzärzte arbeiteten zudem häufig von sich aus viel, weil sie für einen Facharzttitel eine bestimmte Anzahl Operationen durchgeführt haben müssten. «Einzelnen würde es gar nicht gefallen, wenn sie bei einem interessanten Eingriff wegen der Einhaltung der Arbeitszeiten nach Hause geschickt würden.»
Diese Arbeitszeitrestriktionen würden die Weiterbildungszeit der Assistenzärzte tendenziell verlängern, sagte Malagoli weiter.
In den vergangenen zwei Jahren schuf das «Kispi» insgesamt 30 neue Vollzeitstellen, um die Arbeitsbelastung zu senken. Sollte das vorliegende Urteil rechtskräftig werden, müsste die Klinik wohl weitere Stellen schaffen. Dies würde gemäss Malagoli sehr teuer, was wiederum das Gesundheitssystem nur noch mehr belaste.
Ob sich ein Weiterzug ans Bundesgericht lohnt, entscheiden die Verantwortlichen in der kommenden Woche. Angesichts der Deutlichkeit, mit der das Gericht die Argumente der Klinik abschmetterte, ist der Klinikdirektor aber nicht sehr optimistisch.
Spitalärzte-Verband kritisiert «Kispi»
Der Verband der Zürcher Spitalärzte (VSAO) begrüsst das Einschreiten des AWA und auch das Urteil des Verwaltungsgerichts. Das Arbeitsgesetz gelte ohne Frage auch für das «Kispi», sagte Rudolf Reck, VSAO-Präsident, auf Anfrage der sda.
Es sei deshalb unverständlich, dass sich das Spital überhaupt mit einem teuren Verfahren gegen die Anweisungen des Amtes zur Wehr gesetzt habe. Malagolis Begründung, die Vorgaben seien wegen des hektischen Betriebes kaum einzuhalten, lässt Reck nicht gelten. «In vielen Spitälern funktioniert es schon sehr gut.»
Ausschlaggebend für die Überstunden seien ja meist nicht übermässig viele Eingriffe oder Notfälle, sondern die Administration. In den Spitälern, in denen es bereits funktioniere, könnten die Assistenzärzte einen Teil dieser Arbeiten delegieren.
«So lange sie aber wie im Kinderspital übermässig lange im Dienst sind, werden sie natürlich auch als billige Bürokräfte genutzt», sagte Reck.