Ich muss gleich zu Beginn gestehen: «Tête de Moine» ist mein Lieblingskäse. Den «Tête de Moine» raspelt man fast so fein vom Laib wie einst den Film von der Filmrolle. Nur dass er dabei blumige Auswürfe macht. Der «Tête de Moine» entwickelt sein Aroma beim Genuss erst nach dem dritten Bissen voll, mit einem wunderbaren Abgang. Der «Tête de Moine» wird ausserdem im Jura hergestellt, wo es noch so etwas wie eine unverbaute Landschaft gibt. Ein Film, der den «Tête de Moine» in den Mittelpunkt stellt, hat also bei mir alle Chancen, zu einem Lieblingsfilm zu werden.
«Win Win» bietet denn auch fast alles, was mich in einem Schweizer Film zuhause fühlen lässt. Seine Geschichte ist etwas holprig, die Figuren sind leicht tollpatschig, die Dekorationen wirken sichtbar aufgepeppt, die Bilder sind hübsch, die Menschen touristisch zurückhaltend. Alles verströmt den leisen Geruch der Provinz.
Ein Gefühl, zu Hause zu sein
«Win Win» hat alles, was ein Zuhause ausmacht. Es ist nicht für andere gemacht. Es ist nur für einen selbst. Es kommt also ganz auf einen selbst an, wie man dieses Zuhause empfinden will. Langweilig. Oder sympathisch frech. So wie es einst Pierre Kohler war, als er tatsächlich eine chinesische Missenwahl in den Jura holte. Ja, der Film basiert auf Tatsachen! Es gab ihn nämlich tatsächlich, den wagemutigen Mutigen. Es gab auch die Missen, die von China in den Jura geflogen werden sollten.
Dann entwickelt die Komödie ihren Sog
Spätestens, als die Chinesinnen dann ankommen, entwickelt alles im Film, was uns an unser Zuhause erinnert, seine lockende Heiterkeit. Spätestens als die Chinesinnen anfangen die Schweiz zu sehen, wie sie sein kann, gewinnt der Film eine liebevoll subtile Swissness! Mit den Augen der Shanghaianerinnen ist tatsächlich fast alles irgendwie noch etwas provinzieller, was sich da vor der Kamera abspielt. Und noch komischer. Selbst die Grosstadtlimousine wirkt schräg. Wie der echte Bundesrat.
So ist die herrlich jurassische Komödie schon fast vorbei, als wir aufschauen und uns darüber besonders freuen, dass endlich seit langem wieder einmal ein Schweizer Film das macht, was Schweizer Film aus dem grossen Einerlei abheben kann: Eine Botschaft zu sein mitten aus einer etwas verschrobenenen leisen Minderheit von lauter Minderheiten, die mitten in Europa ein Teil der Welt sein wollen.
Zum Schluss verzeihen wir fast alles, was normalerweise einen Schweizer Film herabsetzt: Das tollpatschige Käser-Image, die an den Haaren herbeigezogene Heirat, die hübschen China-Klischees, das provinzielle Bild unserer Politiker. Selbst die holprige Geschichte. Nur eines verzeihen wir nicht: Dass wir nicht, seit 2006, täglich in den Jura gefahren sind, um «Tête de Moine» zu essen, und nach Chinesinnen Ausschau zu halten. Aber das können wir ja jetzt jederzeit nachholen. Mit «Win Win».
Der entwickelt sich wie ein «Tête de Moine». Er raspelt sich erst fein vom Laib. Er macht fröhlich blumige Auswürfe. Dann entwickelt er sein Aroma beim Genuss nach und nach, mit einem wunderbaren Abgang. So dass man damit nicht mehr aufhören kann.