«Zurzeit habe ich in erster Linie den Start mit der Borussia im Kopf»

In der Schweiz hat Yann Sommer jede wichtige Trophäe gewonnen. Auf europäischer Ebene brillierte er mit dem FC Basel mehrfach. Nun steht er vor seinem Europa-League-Debüt mit Mönchengladbach – und einer womöglich neuen Ära in der Nationalmannschaft.

Yann Sommer im Borussia-Park, dem Heimstadion seines kommenden Arbeitgebers. (Bild: www.borussia.de)

In der Schweiz hat Yann Sommer jede wichtige Trophäe gewonnen. Auf europäischer Ebene brillierte er mit dem FC Basel mehrfach. Nun steht er vor seinem Europa-League-Debüt mit Mönchengladbach – und einer womöglich neuen Ära in der Nationalmannschaft.

Die Erwartungen bei Borussia Mönchengladbach sind beträchtlich. Yann Sommer kommt als Nachfolger der Borussen-Grösse Marc-André ter Stegen – eine nicht zu unterschätzende Aufgabe. Experten sind sich aber sicher: Der neue Hoffnungsträger ist jeden Cent der Transfersumme von rund sechs Millionen Euro wert. Am Tag vor dem Playoff-Spiel in der Europa League gegen den FK Sarajevo (Donnerstag 20.45 Uhr/Kabel eins) äusserte sich der 25-Jährige über die bisher grösste Herausforderung seiner Karriere.

Yann Sommer, wie oft haben Sie den Namen Ihres prominenten Vorgängers schon zu hören bekommen?

Eigentlich gar nicht so oft. Klar sprechen mich die Journalisten immer wieder auf die grossen Fussstapfen an. Das ist zweifellos auch so. Aber es geht mir nicht darum, Marc-André ter Stegen aus der Erinnerung der Anhänger zu verdrängen. Ich will ganz einfach auch ein guter Goalie für Gladbach werden. Die Ausgangslage betrachte ich relativ relaxed, weil ich die Situation kenne. In Basel war es nach dem Wechsel von Costanzo zu mir ja nicht völlig anders.

Was erhoffen Sie sich vom Schritt in die neue Liga? Oder anders gefragt: Welchen Platz nimmt Ihr neuer Klub in der Karriereplanung ein?

Ich hoffe auf schöne und erfolgreiche Jahre, in welchen ich auch persönlich nochmals einen beträchtlichen Schritt machen kann. Ich will mich in einer neuen Liga beweisen, mich in einem neuen Land durchsetzen. Für das soll Mönchengladbach stehen. Ich bin überzeugt davon, dass sich alles sehr positiv entwickeln wird.

«Ich will mich in einer neuen Liga beweisen, mich in einem neuen Land durchsetzen.»

Inzwischen sind 18 Schweizer in der deutschen Meisterschaft engagiert. Ist der Wechsel aus der Super League in die Bundesliga auch mit Blick auf das wöchentliche Spektakel um den Spieltag herum noch immer ein Quantensprung?

Es ist momentan schwierig, das schlüssig zu beurteilen. Ich habe noch kein Ligaspiel gemacht. Mir ist aber schon aufgefallen, wie viel Wert auf die Vermarktung des Produkts gelegt wird. Es interessieren sich generell mehr Leute für das Tagesgeschäft – vielleicht nochmals ein Stückchen mehr als in Basel. Es ist für mich sicherlich ein grosser Schritt und in erster Linie eine tolle Herausforderung.

Sie haben mit dem FCB reihenweise Trophäen gewonnen. Wie viel von diesen Erfahrungen wollen Sie ins neue Team einfliessen lassen?

In diesem Zusammenhang muss man immer etwas vorsichtig sein. Klar waren die Titel wunderbar, aber ich buche sie vor allem als persönliche Highlights ab. In den letzten paar Jahren machte ich in Basel extrem wertvolle Erfahrungen. Es ist nie selbstverständlich, etwas zu gewinnen.

Gibt es einen Wow-Effekt-Moment? Im Stil von: «Jetzt bin ich im Land des Weltmeisters angekommen»?

Ja, im Augenblick, als Christoph Kramer zurückgekommen ist (lacht). Ich habe mich natürlich mit ihm ausgetauscht über das Turnier in Brasilien. Aber sonst? Nein, eigentlich eher nicht.

Was hat die Borussia vor?

Im Cup so weit kommen wie möglich. In der Europa League wollen wir die Gruppenphase unbedingt erreichen. Ansonsten peilen wir eine konstante Saison an. Ich persönlich bin kein grosser Fan von Prognosen, zumal ich die Verhältnisse noch zu wenig gut kenne.

Lucien Favre ist extrem fordernd, die Zusammenarbeit mit ihm ist intensiv. Wie ist Ihr Eindruck vom neuen Chef an der Linie?

Sehr positiv. Favre ist im Umgang sehr angenehm. Und ja, sehr genau. Er legt auf Details Wert. Für mich ist das auch anspruchsvoll. Als Goalie von Gladbach ist man extrem in den Spielaufbau involviert. Ich spiele gern mit, aber das hier ist auch für mich eine anspruchsvolle Challenge. Er verlangt von mir im Aufbau andere Dinge als meine früheren Trainer. Das ist normal. Jeder Coach hat eine eigene Philosophie.

«Favre legt auf Details Wert. Für mich ist das auch anspruchsvoll.»

Ist der spielgestaltende Einsatz des Torhüters der neue Trend? Manuel Neuer interpretierte seine Rolle an an der WM im Achtelfinal gegen Algerien (2:1) ziemlich risikobehaftet.

Das war ein sehr extremes Spiel. Manuel ist an der WM alles gelungen. Aber gegen Algerien kam es schon zu mehreren heissen Szenen. Kommt man da einen Tick zu spät, gibt es jedes Mal Rot. Ich habe eine Situation im Kopf, in der der Stürmer den Ball an Neuer vorbeilegt und er dann mit dem Gesicht zum Tor grätscht. Das hätte auch schiefgehen können. Aber es ist sicherlich so: Der Goalie wird immer offensiver. Von ihm wird verlangt, dass er Pässe in die Tiefe abfängt, dass er präsent ist, wenn die Mannschaft ein hohes Pressing spielt.

In Gladbach steht eine neue Ära an, im Nationalteam ebenfalls. Vladimir Petkovic übernimmt, Diego Benaglio tritt zurück.

Ich hatte erst einmal Kontakt mit Herrn Petkovic. Allzu viele Gedanken machte ich mir nicht. Im Kopf habe ich zurzeit in erster Linie den Start mit der Borussia. Die EM-Qualifikation beginnt ohne Test. Ein Problem sollte das für uns allerdings nicht darstellen. Wir verbrachten mehrere Wochen am Stück zusammen, die Mannschaft funktioniert, sie hat ihre Abläufe abgespeichert.

Sie sassen während der WM ausnahmslos auf der Bank. Gab es trotzdem Schlüsselmomente, von denen Sie zehren können?

Ich bin mit prägenden Eindrücken abgereist aus Brasilien. Wir hatten fünf Wochen lang eine exzellente Ambiance im Team – das ist nicht selbstverständlich, wenn man auf so engem Raum viel Zeit miteinander verbringt. Die Euphorie im Land, die herausragenden Stadien, das Wetter – ich habe viele positive Aspekte mitnehmen können.

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Yann Sommer hat vor seinem Abschied beim FC Basel der TagesWoche ein Interview gegeben – ein Gespräch über grosse Vorgänger, kleine Bäume, Gitarren, Kunst und den Grund, warum er Barbie und Ken nicht so mag: «Diesen Job gibst du nicht einfach so auf»

In die Europa League starten auch YB, GC und Zürich.

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