Zwei Freundinnen sind nicht zu bremsen

Zwei Freundinnen sind am dritten Wettkampftag der WM in St. Moritz nicht zu bremsen. Wendy Holdener und Michelle Gisin sorgen in der Kombination für einen Schweizer Doppelerfolg.

Die WM-Zweite Michelle Gisin (links) und Weltmeisterin Wendy Holdener nach der Medaillenvergabe (Bild: sda)

Zwei Freundinnen sind am dritten Wettkampftag der WM in St. Moritz nicht zu bremsen. Wendy Holdener und Michelle Gisin sorgen in der Kombination für einen Schweizer Doppelerfolg.

Es waren einmal zwei Mädchen des Jahrgangs 1993, die standen vor 14 Jahren beim Migros Grand-Prix-Final in Les Crosets gemeinsam auf dem Podium. Die eine als Siegerin, die andere als Drittplatzierte. Am Freitag schrieben die zwei wieder ein Märchen – ein grösseres, bedeutenderes und ein um ein Vielfaches mehr beachtetes. Nicht mehr im Wallis, sondern im Engadin.

Symbolträchtige fünf Hundertstel

Wendy Holdener, in Les Crosets Dritte, war diesmal um einen Hauch schneller als Michelle Gisin – nach der (verkürzten) Abfahrt und dem einen Slalom-Lauf um exakt fünf Hundertstel. Beide sprachen sie von einem Traum, in St. Moritz wieder gemeinsam auf dem Podest zu stehen, denn sie sind längst Freundinnen geworden. Im selben Jahr, auf die Saison 2009/2010 hin, waren sie vom Nationalen Leistungszentrum Mitte ins C-Kader von Swiss-Ski aufgestiegen.

Bis heute sind sie den Weg als Skirennfahrerinnen praktisch im Gleichschritt gegangen. «Wir verbringen mehr Zeit miteinander als mit unseren Familien», sagt Wendy Holdener. «Wir sind auch in schwierigeren Zeiten füreinander da. Das schweisst zusammen», sagt Michelle Gisin.

Die Differenz von fünf Hundertsteln zugunsten von Wendy Holdener, die als erste Schweizer Alpine seit 16 Jahren und dem Triumph von Sonja Nef im Riesenslalom in St. Anton einen WM-Titel gewonnen hat, ist symbolträchtig. Die Schwyzerin war Michelle Gisin stets um eine Nasenlänge voraus. Die «Niederlage» in Les Crosets war im direkten Vergleich eine der wenigen Ausnahmen.

Wendy Holdener schaffte früher den Sprung vom C-Kader ins A- respektive Nationalmannschaftskader, sie stand im Weltcup über dreieinhalb Jahre früher auf dem Podest; im März 2013 war sie im Slalom in Ofterschwang im Allgäu Zweite geworden. Michelle Gisin war im Weltcup zum ersten Mal im vergangenen Dezember in Val d’Isère bei einer Siegerehrung dabei gewesen. In der Kombination wurde sie ebenfalls Zweite.

Starke Abfahrtsleistungen

Die Basis für den Grosserfolg in St. Moritz hatten die Freundinnen mit fantastischen Leistungen in der Abfahrt gelegt. Wendy Holdener konnte sich im Vergleich zu den Trainings auf wundersame Weise steigern, Michelle Gisin bestätigte das, was sie an den Tagen zuvor in den Übungsfahrten gezeigt hatte. Zu den grossen Fortschritten trugen Schwester Dominique, die Olympiasiegerin, und Bruder Marc, der Speed-Spezialist, ihren Teil bei.

«Es ist eine familiäre Zusammenarbeit, die mir hilft», sagt Michelle Gisin. Weitergebracht in der Abfahrt hätten sie auch die gemeinsamen Trainings mit ihrem Freund Luca De Aliprandini. Der Italiener wäre in St. Moritz ebenfalls WM-Teilnehmer gewesen.

Wegen eines Sturzes im Training vor einer Woche in Livigno, bei dem er mit dem Hinterkopf auf die Piste geprallt war, musste der Italiener auf die Teilnahme ebenso verzichten wie Marc Gisin, für den die Saison wegen Spätfolgen seines Sturzes im vorletzten Januar in Kitzbühel schon Anfang Dezember zu Ende gegangen war.

Michelle Gisin büsste in der Abfahrt lediglich eine gute halbe Sekunde, Wendy Holdener eine knappe Sekunde auf die Bestzeit von Sofia Goggia ein. Die Slowenin Ilka Stuhec, die Dominatorin der ersten drei Abfahrten des Winters, lag knapp hinter der Italienerin.

Und dann am Nachmittag also der Slalom, die Paradedisziplin der Schweizerinnen. Nervös waren beide. Es galt, die Konzentration noch einmal hochzufahren – und die Gedanken neu zu ordnen nach dem fatalen Sturz von Teamkollegin Lara Gut beim Einfahren für den zweiten Wettkampfteil.

Denise Feierabend Vierte

Wendy Holdener legte vor, war von ihrer Fahrt im Slalom aber nicht restlos überzeugt. «Das länget nid», schrie sie nach dem Abschwingen ihre Zweifel hinaus. «In jenem Moment hätte ich nicht gedacht, dass es reichen würde, denn der Abstand auf die ‚Michi‘ war nicht allzu gross.» «Michi», die Österreicherin Michaela Kirchgasser, wurde Dritte und verhinderte damit einen Dreifacherfolg der Schweizerinnen. Denise Feierabend war als Viertplatzierte für den Gewinn der Bronzemedaille gut vier Zehntel zu langsam.

Und als Michelle Gisin bis auf fünf Hundertstel an ihre Gesamtzeit herangekommen war, gab es für Wendy Holdener den nächsten Aufreger. Die Anspannung wich erst ein paar Minuten später der Erleichterung. Ilka Stuhec und Sofia Goggia kamen nur ein paar Tore weit. Der Doppelschlag der zwei Freundinnen war Tatsache.

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