Nach drei Monaten in Haft sind die beiden prominenten türkischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül wieder frei. Die beiden verliessen am Freitagmorgen das Silivri-Gefängnis in Istanbul.
Das türkische Verfassungsgericht hatte das Vorgehen gegen den Chefredaktor der regierungskritischen Zeitung «Cumhuriyet» und seines Bürochefs in Ankara am Vortag für nicht rechtens erklärt. Der Fall hatte auch international scharfe Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan ausgelöst.
Die beiden Männer wurden von ihren Familien und Kollegen vor dem Gefängnistor jubelnd empfangen. «Ich denke, das ist eine historische Entscheidung», sagte Chefredaktor Dündar laut der Nachrichtenagentur Cihan. «Sie gilt für alle unsere Kollegen, die Pressefreiheit und die Meinungsfreiheit.» Zum Tag seiner Freilassung, der gleichzeitig der Geburtstag Erdogans ist, sagte Dündar ironisch: «Wir sind sehr glücklich, seinen Geburtstag zu feiern und unsere Freilassung.»
Mit ihrer Freilassung habe sich das Problem inhaftierter Journalisten in der Türkei längst nicht erledigt, sagte Gül laut Cihan. «Wir müssen uns gemeinsam mit einer Front gegen den Druck auf die Medien wehren.» Auf einer Rangliste zum Stand der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten.
Prozess am 25. März
Das Verfassungsgericht hatte am Donnerstag mit zwölf gegen drei Richterstimmen entschieden, dass die «Rechte auf persönliche Freiheit und Sicherheit» von Dündar und Gül verletzt wurden. Reporter ohne Grenzen zeigte sich «hoch erfreut» über die Freilassung der beiden Journalisten, erinnerte aber daran, dass ihnen immer noch ein Prozess bevorstehe. «Wir werden nicht aufgeben, bis die absurden Vorwürfe gegen sie fallengelassen wurden», erklärte Generalsekretär Christophe Deloire.
Die für Terrordelikte zuständige Staatsanwaltschaft in Istanbul wirft den beiden Journalisten, die Ende November in U-Haft kamen, Spionage und einen Umsturzversuch gegen die Regierung vor. Sie sollen mit Berichten über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an islamistische Rebellen in Syrien Staatsgeheimnisse verraten haben. Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für das Duo. Der Prozess soll am 25. März beginnen.
Dündars und Güls Festnahme hatte in der Türkei und anderen Ländern Empörung ausgelöst. Ihr Fall gilt als Beispiel für eine zunehmende Unterdrückung der Presse unter Staatspräsident Erdogan. Der Europarat und mehrere internationale Journalistenverbände kritisierten die Inhaftierungen in dem EU-Bewerberland. Dündar warf der EU vor, die Drangsalierung der Medien in der Türkei aus Rücksicht auf die erhoffte Zusammenarbeit mit Ankara bei der Flüchtlingsabwehr totzuschweigen.