Wie angekündigt will der Bundesrat die Masseneinwanderungsinitiative mit Kontingenten und einem Inländervorrang umsetzen. Gegenüber EU-Bürgern sollen diese Regeln aber nur gelten, wenn sich die Schweiz über die Änderung des Freizügigkeitsabkommen einigen kann.
Dies ist der Kern des Umsetzungsprojekts, das der Bundesrat ein Jahr nach Annahme der Initiative in die Vernehmlassung geschickt hat. Inhaltlich birgt der vorgestellte Entwurf gegenüber den im letzten Sommer präsentierten Eckwerten keine Überraschungen.
Im Ausländergesetz wären vorgesehen, dass die Zuwanderung mit Höchstzahlen gesteuert wird. Diese würden für Aufenthalte zur Erwerbstätigkeit ab vier Monaten Dauer sowie für Grenzgängerinnen und Grenzgänger gelten. In den Höchstzahlen würden auch Familienangehörige, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene eingerechnet.
Auf ein zum Vornherein definiertes starres Reduktionsziel wird verzichtet, und zwar zu Gunsten des gesamtwirtschaftlichen Interesses, auf das die neue Verfassungsbestimmung ebenfalls Bezug nimmt. Bei der Festlegung der Höchstzahlen will sich der Bundesrat auf die Bedarfserhebungen der Kantone sowie auf die Empfehlungen einer Zuwanderungskommission stützen.
Weiter sieht der Gesetzesentwurf vor, dass der Inländervorrang im Einzelfall geprüft wird. Jedoch soll es Ausnahmen bei Berufen mit ausgewiesenem Fachkräftemangel geben. Dort könnte auf eine weitergehende Prüfung verzichtet werden. Bei der Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen stellt der Bundesrat eine Privilegierung von EU/EFTA-Bürgern zur Diskussion.
Zweigleisiges Vorgehen
Mit diesen Gesetzesänderungen schlägt der Bundesrat auf dem Papier eine harte Umsetzung der Initiative vor. «Was in der Verfassung steht, gilt», betonte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga vor den Bundeshausmedien. Der Clou des Umsetzungsprojekts besteht nun aber darin, dass die Zulassung für EU-Bürgerinnen und -Bürger nach wie vor im Freizügigkeitsabkommen geregelt wäre.
Das führt dazu, dass nur Angehörige von Drittsaaten unter die neuen Bestimmungen fallen, so lange das Freizügigkeitsabkommen nicht entsprechend den Verfassungsbestimmungen angepasst worden ist. Und für diese gelten schon nach geltendem Recht Kontingente und ein Inländervorrang.
Damit fährt der Bundesrat bei der Umsetzung weiterhin zweigleisig. Aussenminister Didier Burkhalter sprach in dem Zusammenhang von einer «gesetzgeberischen Technik».
Laut Sommaruga bleibt es aber das Ziel, die innen- und die aussenpolitische Piste zusammenzubringen. Das sei schwierig, aber nicht unmöglich. «Was keine Option ist: Dass wir es nicht wenigstens versuchen.» Das für die anstehenden Verhandlungen nötige Mandat hat der Bundesrat am Mittwoch ebenfalls verabschiedet.
Verhärtung vermeiden
Ziel ist, dass die Schweiz die Zuwanderung wieder selbständig steuert, gleichzeitig aber die bilateralen Verträge und den Schutz gegen Lohndumping beibehalten kann. Diese Linie verfolgt der Bundesrat mit dem gewählten Vorgehen konsequent: Würde er alle Ausländerinnen und Ausländer gleich behandeln, würde er der EU die Tür vor der Nase zuschlagen.
Eine solche Verhärtung müsse unbedingt vermieden werden, wenn die Verhandlungen erfolgreich sein sollten, sagte Sommaruga. Dazu, wie es nach einem allfälligen Scheitern der Verhandlungen weitergehen soll, lässt sie sich aber nicht in die Karten blicken. Der Bundesrat würde seine Verhandlungspostion schwächen, wenn er seine Alternativen schon jetzt auf den Tisch legen würde.
Es liegt aber auf der Hand, dass der Bundesrat bei einem Scheitern entweder das Freizügigkeitsabkommen kündigen oder auf die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative verzichten müsste.
Ohne Hoffnung ist die Bundespräsidentin aber nicht. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe ihr letzte Woche in Brüssel Konsultationen zugesichert. Das Zugeständnis sei ein kleiner, aber kein unbedeutender Schritt. «Die EU hat damit erstmals Bereitschaft gezeigt, nach möglichen Lösungen zu suchen», sagte Sommaruga.
Die meisten Parteien zersausten die Vorschläge auf der Stelle. Als «unbrauchbar» bezeichnet sie die SVP, die Grünen nennen die Vorlage eine «Black-Box», die CVP nennt den Bundesrat «mutlos». Einig sind sich die Parteien lediglich darin, dass das Potenzial an inländischen Arbeitskräften besser ausgeschöpft werden muss.