Zweimal «Frankenstein» in Basel

Immer wieder war das Buch «Frankenstein» Vorlage für Filme. Jetzt haben zwei Filmregisseure den Stoff auf die Bühne gebracht. Beide sind in Basel zu sehen. Das Reizvolle für uns: In Basel sind zwei verschiedene Theaterinszenierungen desselben Stoffes gleichzeitig zu sehen. Im Schauspielhaus läuft die Inszenierung von Philipp Stölzl nur noch wenige Male. Die Inszenierung des […]

Das traurige Geschöpf als Puppe gespielt

Immer wieder war das Buch «Frankenstein» Vorlage für Filme. Jetzt haben zwei Filmregisseure den Stoff auf die Bühne gebracht. Beide sind in Basel zu sehen.

Das Reizvolle für uns: In Basel sind zwei verschiedene Theaterinszenierungen desselben Stoffes gleichzeitig zu sehen. Im Schauspielhaus läuft die Inszenierung von Philipp Stölzl nur noch wenige Male. Die Inszenierung des Oscarpreisträgers Daniel «Danny» Boyle wird in Basel ebenfalls nur zweimal zu sehen sein – «live» aus dem National Theatre in London in die Pathé-Kinos übertragen.

David Berger und Zoe Hutmacher in Basel

David Berger und Zoe Hutmacher in Basel

Für Basler bietet sich die einmalige Chance, den Roman in Bühnenfassungen zweier Experten der filmischen Narration zu sehen.

Mit entspannter Hand präsentiert Stölzl («Der fliegende Holländer») in Basel Theater mit feinen Kammertönen. Er vertraut auf die Erzählkraft des Originals, lässt das von Menschenhand geschaffene Geschöpf erzählen und erfindet eine grosse Theatermetapher: Der eingezäunte Dämon, der die Menschen bedroht, wird selbst von Menschenhand bewegt. Stölzl lässt das Geschöpf Frankensteins seine Geschichte selber erzählen – mit einer grossartigen Cathrin Störmer als dessen Stimme.

Boyle öffnet in London den grossen Guckkasten und lässt die Theatermaschinerie knattern: Er liefert die Psychostudie eines Männerwahns mit der Sicht auf den Schöpfer der künstlichen Intellligenz. Dabei bietet die Inszenierung einen weiteren Reiz: Boyle lässt Johnny Lee Miller und Benedict Cumberbath abwechselnd die Kreatur und ihren Schöpfer spielen, während Viktor Frankenstein bei Stölzl immer von David Berger gespielt wird.

Eine Geschichte aus einer romantischen Zeit des Aufbruchs

Mary Shelley war schwanger, als sie die Geschichte von Viktor Frankenstein zu Papier brachte. Sie verbrachte diese Tage am Genfersee mit ihrem Mann Percy Shelley, dessen Geliebte sie schon war, ehe dessen frühere Frau sich umbrachte. Ihr gemeinsamer Freund Lord Byron, der Star der britischen Poesie, war in diesen Tagen ebenfalls mit Freunden am Genfersee.

Bald entwickelte sich aus der Männerfreundschaft zwischen Shelley, ebenfalls Schriftsteller, und Byron mehr als nur eine Poetenliebe. Aus dem Besuch bei dem Lebemann wurde mehr als nur eine Gastfreundschaft.

Byron widerum fühlte sich Mary Shelley verwandt. Zusammen geriet das literarische Trio ins schwärmerische Phantasieren. Und zwischen den beiden wortgewaltigen Romantikern brachte Shelleys Frau ihre Lebenserfahrung und Weltsicht in geheimnisvollen Metaphern zu Papier: In einem Abenteurroman, der Liebes- und Einsamkeitsängste, Naturgewalt und Aufbruch in die Zukunft vereint. Zwischen dem Kind, das in ihr heranwuchs, und Frankensteins Kreatur gibt es einen Zusammenhang, den nur wenige kennen: Im Kern der verschachtelten Erzählung lässt sie das Kind selber zu Wort kommen.

Der Roman wurde einer der grossen Texte der Weltliteratur – in der Schweiz beginnend. Shelley wurde dabei lange für ihre romantische Gefühlswelt belächelt, aber ihr Roman gerne gelesen und unzählige Male verfilmt.

Benedict Cumberbatch und Naomie Harris in London

Benedict Cumberbatch und Naomie Harris in London

«Der moderne Prometheus»

Mit den beiden Bühnenversionen der Filmregisseure Stölz und Boyle kann man in Basel auch an der Zukunft der Kinos schnuppern. Theaterbühnen sehen Filmstoffe gern als Anlass zur theatralen Erkundung. Im gleichen Zug fangen die Kinos an, Theaterkunst als Lichtspiel zu verbreiten. London, die Hauptstadt des englischsprachigen Theaters, geht mit dem National Theatre voran. Es ist bereits in Dutzenden anderen europäischen Kino-Städten im Streaming zu sehen, und produziert in der Zwischenzeit bewusst Aufführungen für diese Verwertungsschiene.

Europaweit bietet allerdings im Falle von «Frankenstein» nur Basel den Vergleich zwischen den Inszenierungen zweier Bühnen. Auch wenn das Klatschen vor dem Leinwand-Frankenstein im Kinosaal verhallt. Da ist es halt dann doch nur abgefilmtes «Theater».

Wie aufgeklärt und erlebnishungrig die junge Autorin Mary Shelley durchs Leben ging, macht der Dokumentarfilm der BBC klar:

 

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Frankenstein im Schauspielhaus: 16. und 17. Oktober.
Die Inszenierung vom National Theatre wird am 15. Oktober im Pathé Küchlin übertragen (mit Benedict Cumberbatch als Kreatur) und am 12. November (mit Cumberbatch als Viktor Frankenstein).

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