Der Berner Michael Fehr hat am Sonntag beim Klagenfurter Wettlesen um den Bachmannpreis den zweiten, den Kelag-Preis erhalten. Die Hauptauszeichnung ging an den deutsch-österreichischen Autor und Cartoonisten Tex Rubinowitz.
Obwohl dieses Jahr in Klagenfurt viel Geschwurbel zu hören war – namentlich aus der Jury – gingen die Preise schliesslich an Texte ohne allzu viel literarische Bedeutungsschwere. Tex Rubinowitz‘ Anti-Liebesgeschichte zwischen einem Kunststudenten und einer Batterien lutschenden Litauerin, «Wir waren niemals hier», war mithin sogar der einzige Text, der echte Lacher erntete.
Der 52-jährige Rubinowitz, der eigentlich Dirk Wesenberg heisst und sein Alias einem amerikanischen Countrysänger entlehnt hat, hat nicht wirklich literarische Ambitionen, wie er der Nachrichtenagentur apa sagte. Seine Bücher haben auch eher unakademische Titel wie «Rumgurken» oder «Die sieben Plurale von Rhabarber». «Tex hat eine noch grössere Meise als ich», sagt Farin Urlaub von «Die Ärzte» über ihn.
Lorbeeren für die beiden Jüngsten
Mit den Plätzen zwei und drei betrat der Wettbewerb Neuland: Dank dem Berner Michael Fehr und seinem rhythmisch vorgetragenen, dialektal eingefärbten Hinterwäldler-Krimi «Simeliberg» ist nun die Spoken-Word-Bewegung in Klagenfurt angekommen.
Und mit Senthuran Varatharajahs drittplatziertem, schwermütigen Asylanten-Chat «Vor der Zunahme der Zeichen» hielt zudem die neue Form des Facebook-Dialogs Einzug in den Wettbewerb. Varatharajah war mit 30 der jüngste Teilnehmer, knapp gefolgt von Fehr.
Man muss auch lesen können
Es scheint, dass dieses Jahr der mündliche Vortrag bei der Jurierung stärker beachtet wurde als früher. Fehr, der sehbehindert ist und sich den Text vom Kopfhörer «soufflieren» lässt, wurde nach der Lesung am Freitag für den Vortrag gelobt. Sein starker Berner Akzent und das entschleunigte Tempo passten ausnehmend gut zu seiner knorrigen Erzählung aus den Untiefen der Emmentaler Krächen.
Ebenfalls mit einer dramatischen – wenn auch ungleich eleganteren – Vortragsweise fiel die viertplatzierte Berlinerin Katharina Gericke mit ihrem Text «Down Down Down, to the Queen of Chinatown» auf; sie kommt aus der Theaterszene und weiss daher wie man sinnstiftend artikuliert.
Am anderen Ende der Vortragsskala positionierte sich leider die Bündnerin Romana Ganzoni, die in ihrer Erzählung «Ignis Cool» eine ganz witzige neue Deutung des Begriffs «Auto-Aggression» wagte, nämlich Wut auf einen Suzuki, plus die Mutter, welche ihn der Tochter gegen deren Willen schenkte. Ganzonis Singsang erinnerte ein wenig an eine übereifrige Kindergärtnerin. «Kaputtgelesen», lautete das Urteil.
Publikumsliebling streicht die Segel
So klare Voten waren heuer aus der Jury selten zu hören. Von Hubert Winkels ist man sich seit Jahren gewohnt, dass er an den Texten vorbeiinterpretiert. «Zum Glück weiss Hubert Winkels immer alles besser», neckte ihn Co-Jurorin Daniela Strigl.
Unglücklicherweise entschwebte auch der neue Juror Arno Dusini öfter in ferne Sphären, zu denen ihm nur hauptamtliche Akademiker folgen konnten. Man solle sich doch bitte bei der Exegese nicht allzu weit weg vom Text begeben, ermahnte die Schweizer Kritikerin Hildegard Elisabeth Keller mehrmals.
Dass 3sat den Wettbewerb trotz schlechter Einschaltquoten immer noch tapfer überträgt, ist ein Wunder. Vermutlich werden die Quoten nächstes Jahr weiter sinken, denn überraschend hat am Sonntag der Juryvorsitzende Burkhard Spinnen demissioniert – dank seiner klugen und dennoch verständlichen Sichtweise war er 14 Jahre lang der Publikumsliebling.
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Michael Fehr spricht in Klagenfurt über die Entstehung seiner Texte. Bitte unbedingt zu Minute 8:40 vorspulen.