Albaniens Frauen: Relikte einer anderen Zeit

In der männlich dominierten Öffentlichkeit Albaniens kaum wahrgenommen, sind die Frauen die unermüdliche Kraft einer Gesellschaft, die nach jahrzehntelanger Diktatur und Isolation unvermittelt in die vermeintliche Freiheit katapultiert wurde. Der Fotograf Hans Peter Jost hat dies dokumentiert.

Drei Nonnen des Klosters «Spirituelle Weggemeinschaft». Dobrac in der Nähe von Shkodra, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Gewisse Familien verbarrikadieren sich hinter hohen Mauern. (Bild: Hans Peter Jost)

Dorfladen in Terpan, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Ein Monument für den Widerstandskampf gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, in der Nähe von Terpan, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Qamille Stime, 90, ist eine der letzten vereidigten Jungfrauen in Albanien. Laut einer alten Tradition übernimmt in der Abwesenheit des männlichen Erbes die Frau die Rolle des Familienoberhaupts. Barkanesh in der Nähe von Kruja, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Barkanesh in der Nähe von Kruja, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Zwischen Tamare und Selce, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Zwischen Tamare und Selce, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Das Essen, das am Allerseelentag auf die Gräber gelegt wird, dient nicht nur den Toten, sondern auch den Lebenden. Friedhof in Tirana, 2009 (Bild: Hans Peter Jost)

Lela, 14, und Aliu, 15, sind seit einem Jahr verheiratet. Roma-Siedlung in der Nähe von Shkodra, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Roma-Siedlung in der Nähe von Shkodra, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Nur ein paar Familien leben das ganze Jahr über im Dörfchen Vermosh, welches im Winter komplett von der Aussenwelt abgeschnitten ist. 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Die Menschen leben hier hauptsächlich von der Landwirtschaft und der Holzindustrie, zunehmend aber auch vom Tourismus. Valbona, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Vor allem der Kinder wegen sind viele Eltern in den nördlichen Bergen Albaniens gezwungen, ihre unzugänglichen Dörfer zu verlassen. Ish Kënetë, trockengelegtes Sumpfgebiet in der Nähe von Durres, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Die Abflusskanäle, die von den Italienern vor dem Zweiten Weltkrieg angelegt wurden, werden heute auch für die Entsorgung von Abfall benutzt. 2010

(Bild: Hans Peter Jost)


Mit der Demokratie kamen auch neue Güter. Kiosk in Laç, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Vermosh, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Bauersfrau in Lumarth in der Nähe von Fushe Arrez, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

Tamare, 2010 (Bild: Hans Peter Jost)

«Hans Peter Jost lässt uns nicht lange in Erinnerungen schwelgen, befriedigt nicht nur die Neugierde an Historie, sondern konfrontiert uns mit der Realität, die wir in den letzten 20 Jahren geschaffen haben», schrieb Fatos Lubonja, einer der kritischsten Journalisten Albaniens zu dem Werk des Fotografen, der seit dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes in Albanien unterwegs ist.

Diese Einschätzung gilt auch für seine aktuelle Arbeit, die er den Frauen Albaniens widmet. Sensibel, aber auch ironisch, mit respektvollem Abstand und gleichzeitig grosser Neugierde beschreibt er die vielen Parallelwelten der Sisters of Rozafa, die sich seit Jahrtausenden an der Nahtstelle von Ost und West, zwischen Rom und Byzanz, zwischen Islam und Christentum, zwischen Kommunismus und Kapitalismus zurechtfinden müssen.

In der männlich dominierten Öffentlichkeit Albaniens kaum wahrgenommen, sind die Frauen die unermüdliche Kraft einer Gesellschaft, die nach jahrzehntelanger Diktatur und Isolation unvermittelt in die vermeintliche Freiheit katapultiert wurde. Seitdem erleben sie Aufbruch und Hoffnung, Instabilität und Korruption, rechtliche Gleichstellung und die Restriktionen überkommener mittelalterlicher Verhaltensregeln, die immer noch jeden Bereich des Lebens regeln. Die Familie und deren Stabilität stehen dabei immer noch im Vordergrund. So wie für Rozafa, ein weibliches Idol aus mythischer Vorzeit: Sie liess sich zur Rettung ihrer Familie in die Burgmauer einmauern. Aber nur unter einer Bedingung: Eine Brust, eine Hand und ein Bein mussten frei bleiben: um den kleinen Sohn zu stillen, zu streicheln und seine Wiege zu schaukeln.

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