In der Familie der ASEAN-Staaten, alles traditionelle Verbündete der USA und wirtschaftliche Musterschüler, galt Myanmar lange als Sorgenkind – auch wegen der engen wirtschaftlichen Verbindungen zu China. Infolge von Wirtschaftssanktionen war das Land lange Zeit ökonomisch und politisch isoliert. Knapp zwei Wochen nach seiner Wiederwahl hat Barack Obama Ende 2012 als erster amtierender US-Präsident Myanmar besucht und auch die Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi getroffen. (Bild: Daniel Spehr)
Aung San, gilt als der führende Architekt der Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft. 1947, ein halbes Jahr vor der Unabhängigkeit, wurden er und sechs weitere Mitglieder des Exekutivrats während einer Kabinettssitzung in Rangun erschossen. In weiten Kreisen der Bevölkerung wird er bis heute als Nationalheld verehrt und liebevoll «Bogyoke» (General) genannt. Mittlerweile tragen Märkte und Strassen seinen Namen und Statuen schmücken Plätze im ganzen Land. (Bild: Daniel Spehr)
Thein Sein (သိန်းစိန်) ist der amtierende Staatspräsident von Myanmar. Zuvor war er während 13 Jahren Mitglied der regierenden Militärjunta. Seit 2011 strebt er ein Reformprogramm der vorsichtigen Öffnung an und traf sich mit der bekannten Regimekritikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Noch im gleichen Jahr hat Hillary Clinton ein «neues Kapitel» eingeleitet. Zuletzt hatte vor 56 Jahren ein US-Aussenminister Burma besucht. Aung San Suu Kyi kann bei den Wahlen in diesem Jahr nicht Präsidentin werden. Artikel 59 f der Verfassung verbietet allen die Kandidatur, deren Ehepartner oder Kinder ausländische Staatsbürger sind. Ihre beiden Söhne sind Briten. Zwar scheiterte an diesem Paragraphen schon die Kandidatur eines Generals. Doch natürlich zielt dieser Passus auf die «Lady», wie Aung San Suu Kyi im Volksmund genannt wird. Vorbehalte gibt es aber auch seitens der ethnischen Minderheiten. Für die herrschenden Militärs und Ex-Militärs gibt es eigentlich keinen Grund, die Kontrolle aus der Hand zu geben. Die Landkonflikte und Vertreibungen dürften weitergehen. (Bild: Daniel Spehr)
In den nächsten 20 Jahren soll nördlich von Dawei auf 250 Quadratkilometern und mittels 46,5 Milliarden Euro ein Tiefseehafen mit Freihandels- und Industriezone entstehen – plus einer Pipeline bis nach Vietnam. Ein auf 400 MW ausgelegtes Kraftwerk soll die Anlage versorgen und von dem unzuverlässigen allgemeinen Stromnetz unabhängig machen. Das Projekt steht zur Zeit immer noch am Punkt 0, weil Investoren für das Projekt ausstehen. Der Standort ist attraktiv. Wegen der geplanten Umsiedlung der Bauern und der zu erwartenden ökologischen Auswirkungen erhebt sich in der Bevölkerung bereits heftige Kritik. (Bild: Daniel Spehr)
Eine leistungsfähige Infrastruktur ist kaum vorhanden, der private Konsum steckt in den Kinderschuhen und die öffentliche Verwaltung hat Nachholbedarf. Zusammen sind das beste Voraussetzungen für ein überdurchschnittliches Wachstum, weshalb Myanmar unter spekulativen Anlegern als hochattraktiver Anlagemarkt gilt. Allerdings: Eine funktionierende Wertpapierbörse gibt es in Myanmar derzeit noch keine. Dank japanischer Anschubhilfe dürfte sich dies allerdings noch in diesem Jahr ändern. (Bild: Daniel Spehr)
Die am weitesten verbreitete Religion in Myanmar ist der Buddhismus. Vorherrschend ist die frühbuddhistische Theravada-Schule, die im 20. Jahrhundert auch massgeblichen Einfluss auf die Buddhismus-Rezeption im Westen hatte. Die Theravada (Schule der Ältesten) stammt ab von der Mönchsgemeinde, in der die ersten Mönche die Lehrreden von Buddha noch selbst gehört haben. Die Betonung liegt im Theravada auf dem Befreiungsweg des Einzelnen. Dazu benötigt man keine Hilfe von Anderen. Jeder muss die Erleuchtung aus eigener Kraft anstreben. In der Mahayana Schule glaubt man an Bodhisvattas. Dieses sind Menschen, die bereits erleuchtet sind. Die Bodhisvattas bleiben als sterblich auf der Erde um allen anderen bei ihrem Weg zur Erleuchtung zu helfen. Zum Christentum bekennen sich nach offiziellen Angaben 4 Prozent der Bevölkerung. (Bild: Daniel Spehr)
Die Männer vom furchteinflössenden militärischen Geheimdienst sieht man immer seltener und auch die Strassenkontrollen nehmen ab. Trotzdem werden Postsendungen noch immer systematisch geöffnet und auch die Mitternachtskontrollen in den Privatwohnungen gehören weiterhin zum «Repertoire» der herrschenden Militärs, um gegen Andersdenkende vorzugehen. Gleichzeitig ist seit einigen Jahren ein aufkeimender Nazikult auf den Strassen bemerkbar. Vorallem die jungen Menschen scheinen für die nihilistische Phantasien des Faschismus anfällig zu sein und tragen mit Stolz das Hakenkreuzemblem. Auch die lokale Musikindustrie hat sich dem Nazi-Trend seit Jahren erfolgreich angenommen. (Bild: Daniel Spehr)
Durchschnittlich kostet ein Ei in Myanmar acht Schweizer Rappen. Mit 26 Rappen pro Stunde liegt der Mindestlohn von allen ASEAN-Staaten am tiefsten. Der durchschnittliche Monatslohn für Beamte im öffentlichen Dienst beträgt knapp über 40 Franken. (Bild: Daniel Spehr)
Der Handel und Verkauf liegt traditionell in den Händen der Frauen. Chinesische und thailändische Schnellnahrung stehen hoch im Kurs und überschwemmen das Angebot in den Läden. Beim Import liegt China mit 27 Prozent gleichauf mit Singapur, gefolgt von Thailand (11 Prozent), Korea (6 Prozent) und Japan (5 Prozent). Dass durch die chinesischen Investitionen mehr Nachteile als Vorteile erwachsen, erkannte die Regierung von Myanmar bereits Ende 2011. Zum Entsetzen der Chinesen legte sie ein Staudamm-Projekt im Nordosten von Myanmar auf Eis. Seitdem haben die Beziehungen zwischen beiden Ländern gelitten. (Bild: Daniel Spehr)
Peking ist es in den letzten Jahren gelungen, sich auf dem Gebiet der Fischerei eine starke Position aufzubauen. Dynamit und industrielle Schleppnetze haben ihre Spuren hinterlassen. Die meisten einheimischen Fischer arbeiten derweil noch mit kleinen Booten, es gibt ein paar einfache Fischfarmen, eine Handvoll kommerzieller Krabbenzuchten. (Bild: Daniel Spehr)
Das Abdichten von Fugen und Spalten im Holz ist eine Tätigkeit, welche Menschen seit Urzeiten beherrschen. Eine dieser ursprünglichen Abdichtungsarten hat in Myanmar bis heute beim Bau von Holzbooten in modifizierter Weise überlebt: Hier werden die Spalten und Risse im Schiffsrumpf durch Kalfatern mit Werg, Teer und Feuer abgedichtet. (Bild: Daniel Spehr)
Das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel ist beschwerlich, zeitaufwendig und staubig. Dafür gewinnt man auf diese Art Kontakt zur Bevölkerung. Die meisten Busse bieten einen «Aircondition»-Service an, was zuweilen nicht viel mehr bedeutet, dass in diesem Abteil des Fahrzeugs keine Fenster vorhanden sind, was bei den Mengen an Trockenfisch, die zuweilen mitgeführt werden, zu ungeahnten olfaktorischen Erlebnissen führen kann. (Bild: Daniel Spehr)
Das interne Telefonnetz ist geographisch begrenzt sowie häufig defekt oder überlastet. Die Regierung plant nun einen flächendeckenden Mobilfunkzugang. Bereits in Auftrag gegeben ist zunächst die Errichtung von 150 Mobilfunkbasisstationen durch ein deutsches Unternehmen. Zwei Mobilfunklizenzen wurden im Bietverfahren an eine norwegische und eine katarische Firma vergeben. Schätzungen zufolge müssen dazu mehr als 18’000 Basisstationen errichtet werden, um die zum überwiegenden Teil ländlich lebende Bevölkerung flächendeckend versorgen zu können. (Bild: Daniel Spehr)
Beliebter als der Genuss von Alkohol, Zigaretten und Cheeroot, ist in Myanmar das Kauen von Betel. Ein paar Stücke der zerhackten Betelnuss (Areca catechu) werden in das Betelblatt (Pfefferblatt, Piper betle) eingewickelt und mit flüssigem, gelöschtem Kalk bestrichen. Je nach Geschmackswunsch des Käufers wird Kautabak, Anis, Kardamon, Zimt, Ingwer, Muskatnuss, Fenchel, Minze oder Lakritze (Glycyrrhiza glabra) beigefügt. (Bild: Daniel Spehr)
Der Genuss von Betel erzeugt einem Zustand des Wohlbefindens bei leichter Angeregtheit. Die physische und geistige Leistungsfähigkeit wird stimuliert und Ermüdung unterdrückt. Aufgrund des erhöhten Speichelflusses und der roten Färbung des Mundraums und der Zähne hat man bei Betelnuss-Kauern den Eindruck, dass ihr Mund voll Blut wäre, vor allem wenn sie den roten scharfen Saft in Abständen ausspucken. Mit den Jahren setzt der Konsum von Betel allerdings den Zähnen deutlich zu. Kosmetische Gründe dürften denn auch in erster Linie dafür verantwortlich sein, dass der Betel-Konsum von Frauen und Besserverdienenden heutzutage eher gemieden wird. In ländlichen Gebieten haben Betelnüsse jedoch bis dato eine grosse Verbreitung. Allerorts zeugen eingetrocknete Flecken vom Saft des Betelkauens. (Bild: Daniel Spehr)
Die Rinde des Thanaka Baumes (Limonia acidissima) wird mit etwas Wasser vermischt und seit Generationen vorwiegend als Sonnenschutz im Gesicht aufgetragen. Doch Thanaka macht nicht nur das Gesicht schöner, es wirkt auch kühlend. Bei regelmässigem Gebrauch soll es Akne und Erkrankungen der Haut verhüten und eine sanfte, reine Haut von natürlicher Feinheit garantieren. In ländlichen Gegenden wird die Paste ausserdem als Naturheilmittel gegen Husten und Schnupfen eingesetzt. (Bild: Daniel Spehr)
Der animistische Glaube ist immer noch weit verbreitet und traditionelle Heilmittel wie Tierschädel, Hörner, getrocknete Schlangen und Ähnliches werden im Strassenverkauf angeboten. (Bild: Daniel Spehr)
Die traditionelle Korbflechterei hat im täglichen Leben immer noch eine grosse Bedeutung für den Transport von Lebensmitteln und Gemüse. Die Sisalfasern werden zu Tauen, Seilen, Garn und Teppichen verarbeitet. Auch Bambus, Palmwedel, Kokosfasern und auch Wasserhyazinthen-Geflecht werden intensiv genutzt. (Bild: Daniel Spehr)
Offiziell ist Myanmar ein Land der Einehe. Inoffiziell ist von bis zu vier Frauen die Rede. Alle Nationalitäten und Religionen können als Ehepartner gewählt werden. Geheiratet wird bei der Behörde oder im Kloster. Beide Ehen gelten als gleichwertig. «Vor Buddha sind alle gleich, Männer und Frauen», heisst es. Gleichwohl bleiben Mehrfachehen bisher ausschliesslich Männern vorbehalten, an die Frauen wird hierbei offensichtlich nicht gedacht. Eine Scheidung ist möglich, aber kompliziert. (Bild: Daniel Spehr)
Dieser alte Hino aus japanischer Produktion hat das Werk vor über einem halben Jahrhundert verlassen. Sauber und perfekt gewartet bewältigt er mit der Geschwindigkeit eines Radfahrers seine anstrengende Aufgabe. (Bild: Daniel Spehr)
In ländlichen Gegenden ähnelt der Transport einem Automobilmuseum mit alten Lastwagen der Marken Chevrolet, Ford oder Hino. Oftmals wird die ganze Motornabdeckung entfernt, um etwelche Reparaturen schneller auszuführen. (Bild: Daniel Spehr)
Über Jahrzehnte hinweg hielt die Junta den Treibstoffhandel eisern unter Kontrolle. Jeglicher Bezug musste akribisch in einem Bordbuch festgehalten werden. Parallell dazu ist in den letzten Jahren ein privater Strassenhandel im Litermass entstanden. Die rote Einfärbung bezeichnet Super mit 92 Oktan. (Bild: Daniel Spehr)
Im Süden von Myanmar liegt mit 180 Metern Länge und 8 Stockwerken der wohl grösste ruhende Buddha der Welt. In 182 Räumen wird mittels Statuen, Wandreliefs und Gemälden der Lebensweg Buddhas nachinszeniert inklusive des Leidens bei weltlichem Fehlverhalten. Obwohl die Bauarbeiten 1991 begonnen wurden und bis heute nicht abgeschlossen sind, wird an der anderen Talflanke bereits an einem Duplikat gearbeitet. Angeblicih soll diese Konstruktion ohne Architekten entstanden sein. Den Weg zur permanenten Baustelle säumen hunderte überlebensgrosse Betonstatuen von Buddhas Schülern. (Bild: Daniel Spehr)
In das Strassenbild von Yangon hat sich die lange Zeit des Stillstands deutlich eingegraben. Vom wirtschaftlichen Boom, der die meisten anderen Städte Südostasiens erfasst hat, ist noch nicht, allzu viel zu sehen. Handkehrum ist hier so manches Gebäude stehen geblieben, das andernorts längst der Abrissbirne anheim gefallen wäre. Der Yangon Heritage Trust bemüht sich darum, das verbliebene architektonische Erbe der Stadt zu inventarisieren und nach Möglichkeit zu retten. Das reiche architektonische Erbe des Landes, das in den vergangenen Jahrzehnten vor sich hinbröckelte, läuft nun Gefahr, dem einsetzenden Bauboom zum Opfer zu fallen. Rund die Hälfte der Kolonialbauten wurden in den letzten 20 Jahren bereits abgerissen und leider viel zu oft durch schlecht gestaltete, billige Neubauten ersetzt. Das Zeitfenster zur Rettung des architektonischen Erbes droht sich zu schliessen. (Bild: Daniel Spehr)
Der zweitgrösste Flächenstaat Südostasiens ist in aller Munde und das Interesse ist riesig. Nach jahrzehntelanger Isolation, Misswirtschaft und restriktiver Politik durch die Militärregierung findet seit 2010 eine politische und wirtschaftliche Öffnung statt, in Richtung Demokratie, was die wenigsten Beobachter für möglich gehalten hatten.
Die Touristenzahlen explodieren und es herrscht Goldgräberstimmung. Die Wirtschaft wächst im zweistelligen Prozentbereich und die Direktinvestitionen sind massiv gestiegen. Die braune amerikanische Süssbrause dominiert bereits die Regale und die Schnellverpflegungsketten sind bereit. Seit eine SIM-Karte für 2.50 Franken zu erwerben ist, stieg die mobile Telefondichte auf 80 Prozent der Haushalte.
Während in Myanmar Fernsehen und Radio nach wie vor streng kontrolliert werden, kann die Presse zusehends freier agieren, auch wenn Berichte über die intern Vertriebenen und aufflammende Kampfhandlungen für Journalisten bis dato tabu bleiben.
Die Mietzinse in der ehemaligen Hauptstadt erreichen Dimensionen wie in New York City, obwohl der 2012 festgelegte Mindestlohn von 1.25 Dollar noch weitverbreitet ist. Das unterentwickelte Land mit über 50 Millionen Einwohnern ist zum Mekka für Investoren geworden. Aus der Ferne entsteht der Eindruck, dass der rohstoffreiche Vielvölkerstaat sich an die Spitze der Tigerstaaten katapultiert.
Der Basler Fotograf Daniel Spehr hat das Land bereist und bietet eine Momentaufnahme: Es hat sich Einiges gewandelt – abseits der Touristenpfade aber eben nicht.