Das Foto, mit dem alles begann: Konrad Adenauer zwischen Piniennadeln.
(Bild: Jean Willi)
Wir alle kennen das. Man starrt auf den Tisch und erkennt in der Maserung des Holzes das Gesicht der Grossmutter. Man liegt fiebrig im Bett und entdeckt im sonst langweiligen Tapetenmuster auf einmal eine unbekannte Welt. Pareidolie nennt sich das, wenn das Gehirn etwas tatsächlich Vorhandenes in der Wahrnehmung verfremdet. Auch der Mann im Mond fällt darunter.
Der Basler Maler, Zeichner und Schriftsteller Jean Willi guckte als junger Mann gern in die Wolken. Heute schaut er öfter auf den Weg, um beim täglichen Spaziergang in seiner Wahlheimat Ibiza nicht zu stolpern. Und so kam es, dass er im April 2015 plötzlich Konrad Adenauer gegenüberstand. Zum Glück hat er den Kanzler gleich fotografiert, denn gesehen hat er ihn danach nie mehr.
Geblieben ist die Gewohnheit, Gesichter in Steinen zu entdecken und zu dokumentieren. Während fast zwei Jahren schoss Willi zahlreiche Fotos und hat nun die schönsten im Band «Steingesichter» (April 2017, Edition Patrick Frey) veröffentlicht. Weil in diesen nicht jeder dieselben Leute erkennt, hat er bewusst auf Erklärungen verzichtet. «Die Entscheidung, im Buch auf derartige Bildlegenden zu verzichten, gibt dem Betrachter die Gelegenheit, ihm bekannte oder fremde Gesichter selbst zu finden», schreibt Willi.
Und finden muss man sie, oft auch noch beim zweiten Hinsehen. Schon wenn man sich kurz abwendet, kann ein Gesicht auf Nimmerwiedersehen verschwinden. «Vielleicht lösen sich die versteinerten Seelen nachts aus ihrer Erstarrung und machen sich aus dem Staub. Denn von den Tausenden, die Jean Willi auf seinem Spaziergang inzwischen dokumentiert hat, kann er nur eine Handvoll wiederfinden. Die andern, auch die, deren Stellen er sich eingeprägt hat, und von denen er sicher war, dass er sie jederzeit wieder orten könne, bleiben verschwunden», schreibt Martin Suter im Vorwort.
Aber sehen Sie selbst.