Haufenweise Fälschungen an der Art Basel

Ein Rundgang durch die Art Basel lässt tief blicken – zumindest wenn es um die Möblierung der Galerien geht.

Die Galeria Strina aus São Paolo macht nicht viel Aufhebens um Möbel und bedient sich des Messestandartprogramms: Bürotisch mit vier weiss lackierten 3107-Stühlen von Arne Jacobsen.

Kategorie «Praktisch + Klappbar + Design»: Set aus Eames-Klapptisch mit Pirettis Klassiker «Plia». Dass hier späte 60er Jahre Italiens auf reedierte 40er Jahre aus den USA treffen, zeugt zwar nicht von viel Liebe fürs Details, sei aber verziehen…

…denn «lustige» Aufmöbelungsversuche wie bei The Modern Institute aus Glasgow gehen meist ins Auge.

Die Isländer hingegen beherrschen diese Kategorie: Bei i8 gibt es vier Mal «Nisse» für Fr. 11.95 und eine Spanplatte mit Füssen aus dem Baumarkt. Nisse wird seine Heimat kaum je wiedersehen. Kommt aber ja inzwischen eh aus China…

…wie «Franklin», der klappbare Barhocker von der Galerie Tucci Russo aus Turin im übrigen auch.

Allerdings ist Original-Ikea doch um Welten besser als die Pseudoklassiker, mit denen etwa die Galerie Alan Cristea ihre Stand verunstaltet. Der dänische Billigproduzent Phoenix belieferte früher auch einmal die Migros.

Aber nicht bloss Jacobsens Klassiker sind oft kopiert, sondern auch Marcel Breuers später unter dem Namen «Cesca» reedierte Freischwinger. Im Besitz einer besonders schlechten Kopie ist die Galerie Denise René aus Paris.

Das Original in der Reedition von Thonet lässt sich übrigens am Stand von Klüsner begutachten.

Häufigstes Kopie-Opfer ist Eero Saarinens Tulpenfusstisch aus den 50ern. Von Originalfüssen mit falsch dimensionierten Billigtischblättern bis zu kompletten Imitaten gibt’s alles. Über ein besonders abschreckendes Exemplar verfügt Marlborough Fine Art.

Stilsicherer präsentiert sich dagegen die Tokyoter Galerie Taka Ishii mit nigelnagelneuen Klappmöbeln von Egon Eiermann, die dieser um 1950 entworfen hatte. Bemerkenswert ist auch die einheitliche Farbgebung: Schwarz-Weiss bis zur Kleidung.

Ungleich exklusiver nimmt sich der Sitzplatz der Galerie Sean Kelly aus: Poul Kjaerholms Dreibeinhocker und der Clubtisch mit Granitplatte kosten viel – stellen aber Anforderungen ans Sitzen.

Diese Sorgen hat man bei Sprüth Magers nicht: Gediegenes Sitzen auf den Sesseln von Pierre Jeanneret, die dieser für die Uni-Bibliothek im indischen Chandigarh entworfen hatte, ist garantiert.

Die Möbel bei Dominique Lévy stammen von Pierre Jeanneret. Zitat des Galeristen: «Ich habe keine Ahnung, von wem die Möbel sind. Für mich ist das einfach ein brauner Tisch».

Ein designhistorisches Schwergewicht dient Paula Cooper als Sitzgelegenheit. Prouvés Standardstühle sind in der Holzausführung selten zu sehen und dürften mit dem Tisch einen 6-stelligen Betrag kosten.

Die Skandinavier sind günstiger zu haben. Der Effekt ist ein ähnlicher – man vermittelt Stilsicherheit dank Designklassikern. Bei Hauser und Wirth zum Beispiel mit einem schönen Set von Hans Wegner in Teak und Buche.

Bei Michael Haas aus Berlin mit alten Pirkkamöbeln des Finnen Ilmari Tapiovaara…

…und bei der Galleri Nicolai Wallner, wie es sich für eine dänische Galerie gehört, mit den sogenannten Grand-Prix Stühlen von Arne Jacobsen und einem Tisch von Piet Hein.

Abseits der bekannten Klassiker bewegt sich die Gb Agency. Das rare Set aus den 60er-Jahren von Roger Tallon mit den Sitzen aus Isolationsschaumstoff zieht wohl mindestens so viele Blicke auf sich wie Ryan Ganders Stehleuchte.

Exklusiven Geschmack beweist die Galerie Fraenkel. Mit den Möbeln des Franzosen René Gabriel lassen sich wohl nur Designnerds beeindrucken. In den Genuss der wohltuenden Zurückhaltung dieser Möbel kommt man aber auch als Nichtwissende/r.

Eine etwas andere Strategie fährt man bei Berinson: Über die Zielsetzung, die diesem kruden Mix von Thonetstühlen, einem Eames-Tisch und Franz Singer-Sofa mit Pseudo-USM-Haller-Rollschublade zugrunde lag, kann man bloss spekulieren.

Ebenfalls in die Kategorie «misslungener Mix» gehört dieses eigenartige Set bestehend aus Stühlen des Dänen Arne Vodder und einem mit einer neuen Platte übel zugerichteten Tischgestell des Basler Entwerfers Dieter Waeckerlin bei Howard Greenberg.

Gmurzynska entschied sich für einen Tisch der Haas Brothers. Zugegeben, das mit Goldmosaik überzogene Möbel mit Leopardenfüssen macht die Suche nach einem Stuhl nicht gerade einfach. Aber dass das Billigmodell «Chef» eine Katastrophe ist, sieht jeder.

Eindeutig mehr Fingerspitzengefühl bewies die Galerie Barbara Weiss aus Berlin mit ihrem schlichten Pyramid-Set von Wim Rietveld aus den 50er-Jahren.

Etwas Industrial Chic verdanken wir auch dem Stand der Galerie Maureen Paley. Dieses Mal allerdings in Form anonymen Designs.

Zum Abschluss ein erbauliches Beispiel: Air de Paris führt mit Guyton/Walker ein Künstlerduo im Programm, das Skulpturen schafft, die sich auch als Tisch verwenden lassen. Gesagt, getan, und schon entsteht ein perfekt abgestimmtes Gesamtbild.

Für Designinteressierte gibt es in mancher Hinsicht an der Art Basel mehr zu entdecken als an der Design Miami Basel. Während bei letzterer seit der Gründung gepredigt wird, dass zu einer eindrucksvollen Kunstsammlung eine angemessene Einrichtung aus erlesenen Designpreziosen gehöre, scheint so manch ein Galerist den gut gemeinten und nicht ganz uneigennützigen Ratschlag mehr oder weniger absichtlich in den Wind zu schlagen.

Zugegeben, gerade die Einrichtung eines Standes an einer Kunstmesse konfrontiert die Galerien mit einigen zentralen Fragen aus dem Bereich des Designs.

Von einem funktionalen Standpunkt aus gesehen, dient das Mobiliar in erster Linie dazu, den Galeristen und ihren Kunden Platz zu bieten. Zum Einsatz kommen deshalb Sitzgelegenheiten und ein Tisch, auf dem Dokumentationen, Bücher und MacAir liegen. Bedenkt man zudem, dass die Einrichtung nur kurzfristig zum Einsatz kommt und transportiert werden muss, gewinnt platzsparendes Klappmobiliar an Attraktivität.

Repräsentation vs. Funktionalität

Damit wäre der Rahmen eigentlich schon recht eng gesteckt, wäre da nicht der Aspekt der Repräsentation, der demjenigen der Funktionalität in vielerlei Hinsicht diametral entgegengesetzt ist. Oder anders gesagt: Klappmöbel verfügen in der Regel über ein beschränktes Mass an repräsentativem Charakter. Einem auf einem Franklin-Barhocker von Ikea platzierten Kunden einen Rothko verkaufen zu wollen, ist jedenfalls auch eine Kunst.

Vermeintliche Hilfe versprechen für einmal die Paradoxien historischer Entwicklungen: Als die Architekten ab Mitte der Zwanziger Jahre in Ermangelung passenden Mobiliars selber Möbel für ihre modernen Wohnbauten zu entwerfen begannen, taten sie dies mit Todesverachtung für alles Repräsentative und feierten stattdessen die billige Massenproduktion. Tatsächlich blieben die Begeisterungsstürme des Proletariats aus und die wenigen modernen Möbel wurden in geringen Stückzahlen von Hand gefertigt.

Heute sind es gerade diese seltenen Stücke, die zu Höchstpreisen gehandelt werden – einstiger Volksbedarf wird Luxusbedarf. Die archaisch anmutende Verkörperung der funktionalistischen Idee erhält selbst repräsentativen Charakter. Pech für den roten Bauhausdirektor Hannes Meyer, aber ein Glücksfall für die Galerien der Art Basel. Sie könnten getrost einige Klappklassiker aufstellen, ohne ihr Renommee in Gefahr zu bringen.

Unheil droht nun allerdings just wieder von einem Zuviel an Repräsentation. Manche Galerien sehen durch den Seltenheitswert des Mobiliars die Kunst an der Wand in den Schatten gestellt. Andere dagegen wehren sich mit Hand und Fuss gegen eine stereotype Designereinrichtung, weil sie fürchten, dass dadurch die Individualität ihres Geschmacks nicht tragend zum Ausdruck kommt. Wäre die federnde Luftsäule, die Marcel Breuer als fortschrittlichstes, weil entmaterialisiertes Sitzmöbel vor 90 Jahren prognostiziert hatte, schon erfunden, sie wäre wohl an manch einem Stand (nicht) zu sehen.

Wie die Galerien an der Art Basel das von Fallstricken gespickte Einrichtungsproblem bewältigt haben, zeigt folgende Schnappschussstrecke:

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