Im Frühling 2009, kurz vor seiner Pensionierung, stand Peter Olpe im Flur seiner Wohnung und öffnete einen Schrank. Schwarze Kartonschachteln füllen diesen fast vollständig aus. Darin die Arbeit von fast 30 Jahren, einer Leidenschaft – die fast lebenslange Beschäftigung mit der Lochkamerafotografie. Rund hundert selbstgebaute Kameras aus Karton. Die Kehrichtverbrenner hätten sich sicher darüber gefreut, erzählt Olpe lachend. Doch diese Freude wollte er ihnen nicht gönnen. Stattdessen entschloss sich der Basler Grafiker, die Kameras dem Fotomuseum in Vevey zu schenken.
Zwischen 1978 und 1993 sind sie entstanden, diese Kameras. Aus Karton gebaut, ohne Linse, mit einem oder mehreren Löchern, durch die das Licht auf den in die Kartonbox gespannten Film fallen konnte. Die Apparate repräsentieren eine Frühform der Fotografie, sind Camerae Obscurae im Miniformat. Olpes Lochkameras konnte man mit sich mittragen, sie waren nicht grösser als vielleicht eine marktgängige Spiegelreflexkamera, und die Bilder, die sie machten, entsprachen den Standardformaten.
Beim Museum in Vevey war man ebenso wie Olpe selbst der Meinung, die Kameras gehörten keinesfalls in den Kehrichtsack. Dankbar wurde das Geschenk nicht nur akzeptiert, sondern sogar angeboten, dass zur Übernahme eine Ausstellung eingerichtet würde. «Dies war weit mehr, als ich mir erhofft hatte», sagt Olpe. Und weil zu eine Ausstellung idealerweise auch ein Katalog gehört, bot Olpe an, diesen selbst zu gestalten. Doch dafür nur in der Vergangenheit zu kramen, war ihm zu wenig. Er fragte sich, wie er die Lochkameras wieder lebendig machen könnte. Und hatte eine Idee.
Kamera gegen Fotos
Einst hatte Olpe von einer eigenen Kamerafabrik geträumt, und zusammen mit seiner Frau irgendwann Selbstbaumodelle vermarktet. Man fand sie in Museumsshops, und selbst in Fotoläden. Die Nutzer der Kameras jedoch haben kaum Spuren hinterlassen. Also galt es, welche zu generieren. Kurzerhand fragte Olpe befreundete Fotografen an, ob sie mit einer seiner Kameras fotografieren würden und ihm die Bilder für den Katalog zur Verfügung stellen. Als Dank, und wenn die Fotos für ihn brauchbar wären, dürften sie die Kamera behalten. Er bot gar an, ihnen eine Kamera masszuschneidern, wenn sie bestimmte Wünsche hätten.
«Ich fragte zuerst Leute an, die ich kannte. Jürg Stäuble beispielsweise, Werner von Mutzenbecher oder Christian Vogt», erzählt Olpe. «Und sie waren alle bereit mitzumachen.» Mehr und mehr Fotografen kamen hinzu, bis hin zu international bekannten Grössen wie Peter Knapp, Oliviero Toscani oder Marja Pirilä. Sie alle lockte es, eine Lochkamera auszuprobieren, mit der immer auch das Risiko verbunden ist, dass das Bild nicht gelingt. Nur wenige lehnten ab oder reagierten auf die Anfrage gar nicht.
Das Tauschgeschäft war für Olpe nichts Neues. «Ich hatte früher immer wieder Kameras gegen Kunstwerke getauscht», sagt er. «So ist einiges zusammengekommen.» Die Kunstwerke, die er durch diesen letzten Tausch erhalten hat, hat er nun zwischen zwei Buchdeckel binden lassen. Ein vielfältiger Katalog ist herausgekommen, denn jeder Fotograf wusste die Lochkamera anders zu nutzen. Landschaftsbilder finden sich ebenso wie Porträts und Stillleben, in den unterschiedlichsten Perspektiven, Formaten und Lichtsituationen.
Jene Kameras, mit denen diese Bilder entstanden, können wir nicht mehr betrachten. Viele andere aber sind ab dem 8. September im Musée Photo in Vevey zu bewundern. Den Katalog gibts auch im Handel (ISBN 978-3-7212-0851-1).