Die Basler Regierung hat es verpasst, auf dem Migrolareal rechtzeitig gestaltend einzugreifen. Wird jetzt geräumt, ist das Freiraum- und Kulturprojekt am Basler Hafen am Ende.
Es ist erstaunlich, wie wenig sich während der einjährigen Besetzung des ehemaligen Migrolareals verändert hat. Und dies, obwohl so viel geschehen ist.
Wo einst eine kleine Gruppe ihre Wohnwagen im privaten Kreis angeordnet hatte, steht heute eines der interessantesten Zwischennutzungsprojekte, das Basel zu bieten hat. Wo einst eine öde Brache der kreativen Nutzung harrte, ist heute mit dem Verein Shift Mode eine kleine Gruppe mit interessanten Ideen und grossem Engagement verantwortlich.
Beide Gruppen verfolgen das gleiche hehre Ziel: Sowohl die IG Hafenplatz als auch der Verein Shift Mode wollen sich auf einem riesigen Freiraum verwirklichen, wollen die Kiesfläche beleben und für eine öffentliche Nutzung erschliessen. Und doch scheinen die Positionen unvereinbar. Nur so ist die Eskalation der letzten Tage zu verstehen.
Woher rührt diese Unvereinbarkeit? Die beiden Gruppen sprechen eine unterschiedliche Sprache und gehen einen unterschiedlichen Weg. Die Bewohner des Wagenplatzes und die übrigen Besetzer versuchen, ein schönes Ideal zu leben: eine Gesellschaft, in der jeder eine Stimme hat und Entscheide in der Gruppe gefällt werden. Die Basis ist Vertrauen, auf schriftliche Abmachungen wird verzichtet, Verständnis dafür wird vorausgesetzt.
Der Motor einer solchen Bewegung sind breite Unterstützung und das engagierte Anpacken ihrer Sympathisanten. Für sich gesehen, funktioniert das anscheinend sehr gut. Kommen aber Akteure ins Spiel, die nicht die gleichen Ideale leben, wird es schwierig.
Die andere Seite bringt dieses Verständnis nicht auf. Bei Shift Mode handelt es sich um einen sogenannten regulären Nutzer. Dieser Begriff bringt das Problem auf den Punkt. Denn hier gelten Verträge anstelle von Vereinbarungen per Handschlag. Hier gelten verbriefte Ansprüche – Kompromisse und langatmige Verhandlungen sind nicht nötig. Will eine solche Nutzung erfolgreich sein, muss auch sie möglichst breit anerkannt sein. Sie muss ihre Sympathisanten jedoch nicht ideell überzeugen, sondern durch ein interessantes Angebot. Ja, auch durch Markttauglichkeit. So funktionieren wir.
Als wäre diese ideelle Unvereinbarkeit nicht genug, verhalten sich beide Seiten auch noch äusserst stur.
Stur sind die Besetzer, wenn sie sich nach aussen kompromissbereit geben und sich gleichzeitig auf Fakten berufen, die im Illegalen geschaffen wurden. Minimalforderungen zu stellen, ist wenig hilfreich. Eine solche Haltung ist schwer verständlich, auch für Sympathisanten.
Es ist aber ebenso stur, wenn sich Shift Mode und ihre Untermieterin, die Kunstmesse Scope, auf verbriefte Quadratmeterzahlen berufen. Diese Haltung ist komfortabel, jedoch nur vordergründig frei von Risiko. Shift Mode wird es als Zwischennutzung schwer haben, wenn an ihr der Makel haftet, den Wagenplatz vertrieben zu haben. Und das wird so sein. Auch wenn sich die Vertreter auf die Position stellen, sich an Verträge und Auflagen zu halten und deshalb mit dem Konflikt nichts zu tun zu haben.
Dieser Konflikt war absehbar. Trotz all diesen Anzeichen einer Eskalation hat es die Regierung verpasst, schlichtend einzugreifen. Sie hat versagt, wo eine Mediation nötig gewesen wäre. Als Grundeigentümerin trägt sie die Verantwortung für alles, was auf ihrem Areal passiert ist und noch passieren wird. Viel zu lange hat sie zugeschaut, sich rausgehalten beziehungsweise im Verborgenen an der Lösung eines Problems gearbeitet, das längst breit diskutiert wurde.
Wird das Migrolareal am Sonntag geräumt, wird alles, was auf diesem Gelände ein Jahr lang wachsen und gedeihen konnte, auf einen Schlag zerstört. Ein erfolgversprechendes Kultur- und Freiraumprojekt wäre am Ende.
Ein Konflikt zwischen Gruppen mit den gleichen Zielen ist ein Luxusproblem. Die Untätigkeit der Regierung hat dazu geführt, dass nun echte Probleme drohen.